" … Der Kl. steht gegen die Bekl. aus abgetretenem Recht kein weiterer Schadensersatzanspruch gem. § 1151 Nr. 1 VVG zu. Unstreitig hat die Kl. mit dem Unfallgeschädigten keine Vergütungsvereinbarung getroffen mit der Folge, dass gem. § 632 II BGB der Unfallgeschädigte der Kl. lediglich die branchenübliche Vergütung schuldet. Dementsprechend haftet die Bekl. dem Unfallgeschädigten gegenüber auch nur in der Höhe der Entlohnung, die der Unfallgeschädigte der Kl. zu zahlen hat. Im Rahmen der Abtretung steht der Kl. daher gegen die Bekl. ein Schadensersatzanspruch nur in der Höhe der branchenüblichen Vergütung zu."
Abschleppkosten gehören zu dem Herstellungsaufwand, den der Schädiger gem. § 249 S. 2 BGB zu ersetzen hat. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte aber nur den Betrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung objektiv erforderlich ist, unabhängig von den tatsächlich durch den Abschleppunternehmer durchgeführten Tätigkeiten. Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen zu betrachten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten seinerseits tätigen würde. Damit ist der Geschädigte auch nur verpflichtet, Vergütung für eine zeitlich angemessene Tätigkeit zu entrichten. Hinsichtlich des Zeitumfangs des Einsatzes der Kl. hat die Bekl. eine Zeitspanne von 90 Minuten zugestanden. Dass für die Arbeiten der Kl. in zeitlicher Hinsicht mehr als 90 Minuten erforderlich waren, ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Der Abschlepport und das Betriebsgelände der Kl. sind 4,5 km voneinander entfernt. Diese Entfernung kann, zumal in der Nachtzeit, pro Strecke innerhalb von 10 Minuten zurückgelegt werden. Gespräche mit Polizei und unfallbeteiligtem Pkw-Eigentümer, Aufladen und Reinigen der Fahrbahn können innerhalb eines Zeitrahmens von 1 Stunde bewerkstelligt werden. Die Kl. hat nichts dafür vorgetragen, welche besonderen Schwierigkeiten konkret im vorliegenden Abschleppfall gegeben waren, die eine deutlich längere Tätigkeit der Kl. auch objektiv erforderlich machten. Allein das Aufsammeln von abgefallenen Bauteilen eines Fahrzeugs sowie das Aufkehren von Glassplittern vermögen unter Betrachtung der relativ geringen Entfernung zwischen Unfallort und Firmensitz der Kl. sowie dem zur Nachtzeit zu berücksichtigenden geringen Straßenverkehr eine über 90 Minuten hinausgehende Tätigkeit der Kl. aus objektiver Sicht nicht zur rechtfertigen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, welcher zeitliche Rahmen für die Tätigkeit der Kl. objektiv angemessen war, schied mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen aus.
Wegen der Höhe der Vergütung zieht das Gericht gem. § 287 ZPO die Werte der Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe 2012 heran. Soweit die Kl. sich gegen die Werte der Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe von 2012 als geeignete Schätzgrundlage gem. § 287 ZPO wendet, sind diese Einwände nicht nachvollziehbar. Selbstverständlich liegen die Werte einzelner Abschleppunternehmer teils über und teils unter den dort ausgewiesenen Werten. Es geht bei dieser Umfrage eben um den Durchschnittswert, der als Schätzgrundlage für die Frage, ob eine Vergütung objektiv angemessen ist, durchaus herangezogen werden kann. Kostensteigerungen im Jahr 2013 gegenüber dem Jahr 2012 sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch bei der Schwackeliste wird bei der Bestimmung des ortsüblichen Normaltarifs der Mittelwert zugrunde gelegt, nicht der Maximalwert, so dass die Angriffe gegen die Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe fehl gehen.
Unter Berücksichtigung der Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe steht der Kl. ein Stundensatz von 128 EUR netto für das Abschleppfahrzeug inklusive des Fahrers zu; hinzu kommt ein 50 %iger Zuschlag auf den Lohn des Fahrers aufgrund der Nachtarbeit. Da ausweislich der Preis- und Strukturumfrage eine Bergungs- und Abschleppfachkraft im Pkw-Auftragsbereich durchschnittliche Personalkosten i.H.v. 60 EUR pro Stunde verursacht, ist wegen der Nacharbeit ein stündlicher Aufschlag von 30 EUR gerechtfertigt.
Damit ergibt sich eine objektive branchenübliche Vergütung wie folgt:
128 EUR x 1,5 Stunden = 192 EUR
+ 50 % Nachtarbeitszuschlag von 60 EUR pro Stunde für 90 Minuten = 45 EUR
Zzgl. 19 % Mehrwertsteuer = 282,03 EUR.
Die Bekl. hat an die Kl. bereits einen Betrag von 323,38 EUR gezahlt, so dass keine weiteren Ansprüche der Kl. bestehen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.“
Mitgeteilt von RA Dr. Michael Nugel, Essen
zfs 7/2014, S. 381 - 382