StVG § 17
Leitsatz
Bei nichtaufklärbarem Unfallhergang bleibt auch eine hohe BAK (hier 1,9 ‰) außer Betracht, wenn sie sich nicht ursächlich auf den Unfall ausgewirkt hat.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG Koblenz, Urt. v. 3.2.2014 – 12 U 607/13
Sachverhalt
Die Kl. macht Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht des Zeugen Z nach einem Unfall auf der BAB geltend. Der Zeuge überschritt als Fahrer des Fahrzeuges des Kl. die zulässige Höchstgeschwindigkeit um wenigstens 30 km/h und wies zum Unfallzeitpunkt eine BAK von 1, 9 ‰ auf. Der Zeuge Z fuhr auf das Kfz des Bekl. zu 1) auf. Die Beweisaufnahme führte nach der Auffassung des Senats zu keiner Aufklärung des dem Auffahren vorausgehenden Geschehens. Der Sachverhalt war nicht aufklärbar, so dass sowohl die Möglichkeit bestand, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs den Fahrstreifenwechsel unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO vorgenommen hatte und die weitere Möglichkeit bestand, dass der Auffahrunfall auf eine verspätete Reaktion und einen nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand des auffahrenden Fahrers zurückzuführen sei. Aufgrund des ungeklärten und auch unaufklärbaren Unfallgeschehens nahm der Senat eine hälftige Haftungsverteilung vor und lehnte es ab, aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit und der erheblicher Alkoholisierung des Fahrers des Kfz der Kl. zu einer hiervon abweichenden Haftungsverteilung zu gelangen.
2 Aus den Gründen:
"Nach der gem. § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gelangt der Senat zu einer hälftigen Haftungsverteilung zwischen den Parteien. Der Senat geht hierbei von dem Vorliegen eines ungeklärten Schadensverlaufs bzw. Unfallgeschehens aus."
Entgegen der Auffassung der Bekl. streitet gegen den Zeugen als Fahrer des klägerischen Pkw nicht der Beweis des ersten Anscheins. Zwar kann bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grds. der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Unfallgeschehen ansonsten das typische Gepräge eines Auffahrunfalls erwiesenermaßen aufweist. Eine solche Typizität des Geschehens liegt hingegen dann nicht vor, wenn zwar feststeht, dass vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt im Übrigen aber nicht aufklärbar ist und sowohl die Möglichkeit besteht, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO den Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, als auch die Möglichkeit, dass der Auffahrunfall auf eine verspätete Reaktion und einen nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand des auffahrenden Fahrers zurückzuführen ist. Beide Varianten kommen hierbei wegen der bekannten Fahrweise auf Autobahnen als mögliche Geschehensabläufe in Betracht, zumal es nach der Lebenserfahrung nicht fernliegend ist, dass es auf Autobahnen zu gefährlichen Spurwechseln kommt, bei denen die Geschwindigkeit des folgenden Fahrzeugs unterschätzt wird. Infolgedessen kann regelmäßig auch keine der beiden Varianten (verspätete Reaktion bzw. überraschender Fahrspurwechsel) als der typische Geschehensablauf angesehen werden, der zur Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten eines der Beteiligten führt (grundlegend BGHZ 192, 84). Ein solcher unaufklärbarer Sachverhalt im oben aufgeführten Sinne ist vorliegend gegeben. Das LG ist aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aussage der Bekl. zu 1 und des Zeugen m, das Fahrzeug der Bekl. zu 1 habe sich vor dem Unfall bereits zwei Minuten auf der linken Spur befunden, nicht der Wahrheit entsprechen würde. Die insoweit von dem LG vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Sie ist weder in sich widersprüchlich, noch läuft sie den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen zuwider und lässt auch nicht Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt (BGH WM 1992, 67). Das LG hat vielmehr überzeugend ausgeführt, dass die Aussagen der Bekl. zu 1 und des Zeugen offensichtlich abgesprochen und im Übrigen auch nicht nachvollziehbar waren und ihnen somit nicht gefolgt werden konnte. Gleiches gilt soweit das LG weiter ausgeführt hat, dass auch aus der Aussage des Zeugen nicht hervorgehe, zu welchem Zeitpunkt genau der Fahrstreifenwechsel der Bekl. zu 1 stattgefunden und ob die Bekl. zu 1. durch den Fahrstreifenwechsel gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen habe. Damit war von einem ungeklärten und auch unaufklärbaren Unfallgeschehen im oben aufgezeigten Sinne auszugehen. Die Anwendung des Anscheinsbeweis kam daher weder zu Lasten der Bekl. zu 1 noch zu Lasten des Zeugen in Betracht.
Entgegen der Auffassung der Bekl. war im Rahmen der vorzunehmenden Haftungsverteilung gem. § 17 StVG auch nicht zu Lasten der Kl. zu berücksichtigen, dass der Zeuge die zulässige Höchstgeschwindigkeit um zumindest 30 km/h überschritten und zum Unfallzeitpunkt eine erheblich erhöhte Blutalkoholkonzentration aufgewiesen hat. Im Rahmen der gem. § 17 StVG vorzunehmenden Haftungsverteilung können nämlich nur solche Umstände berü...