Normenkette
StVG § 17
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 16.04.2013; Aktenzeichen 1 O 159/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 16.4.2013 wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 9.458,89 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2012 zu zahlen.
Die Beklagten werden darüber hinaus als Gesamtschuldner verurteilt, an die Rechtsanwälte ... [A] 399,72 EUR zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 29 % und die Beklagten 71 % als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit ihrer Klage macht die Klägerin Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht des Zeugen ... [B] aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 16.10.2011 auf der BAB 63, hinter dem Autobahnkreuz ... [Y] in Fahrtrichtung ... [Z] ereignet hat.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Mit seinem am 16.4.2013 verkündeten Urteil hat das LG die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.729,45 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2011 sowie weitere 256,62 EUR an die Rechtsanwälte ... [A] zu zahlen. Die weiter gehende Klage hat das LG abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung beider Parteien.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Mainz,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 13.291,44 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2011 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner darüber hinaus zu verurteilen, weitere 461,60 EUR für die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr der Kanzlei ... [A] zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, das Urteil des LG Mainz abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Beide Parteien beantragen, die Berufung der anderen Partei zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Urkunden und auf das angefochtene Urteil verwiesen.
II. Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die Berufung der Beklagten bleibt erfolglos.
Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 9.458,89 EUR aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG i.V.m. § 115 VVG.
Nach der gem. § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gelangt der Senat zu einer hälftigen Haftungsverteilung zwischen den Parteien. Der Senat geht hierbei von dem Vorliegen eines ungeklärten Schadensverlaufs bzw. Unfallgeschehens aus.
Entgegen der Auffassung der Beklagten streitet gegen den Zeugen ... [B] als Fahrer des klägerischen Pkw nicht der Beweis des ersten Anscheins. Zwar kann bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Unfallgeschehen ansonsten das typische Gepräge eines Auffahrunfalls erwiesenermaßen aufweist. Eine solche Typizität des Geschehens liegt hingegen dann nicht vor, wenn zwar feststeht, dass vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt im Übrigen aber nicht aufklärbar ist und sowohl die Möglichkeit besteht, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO den Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, als auch die Möglichkeit, dass der Auffahrunfall auf eine verspätete Reaktion und einen nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand des auffahrenden Fahrers zurückzuführen ist. Beide Varianten kommen hierbei wegen der bekannten Fahrweise auf Autobahnen als mögliche Geschehensabläufe in Betracht, zumal es nach der Lebenserfahrung nicht fernliegend ist, dass es auf Autobahnen zu gefährlichen Spurwechseln kommt, bei denen die Geschwindigkeit des folgenden Fahrzeugs unterschätzt wird. Infolgedessen kann regelmäßig auch keine der beiden Varianten (verspätete Reaktion bzw. überraschender Fahrspurwechsel) als der typische Geschehensablauf angesehen werden, der zur Anwendung des Anscheinsbeweis zu Lasten eines der Beteiligten führt (grundlegend BGHZ 192, 84). Ein solcher unaufklärbarer Sachverhalt im oben aufgeführten Sinne ist vorliegend gegeben. Das LG ist aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aussage der Beklagten zu 1. und des Zeugen ... [C], das Fahrzeug der Beklagten zu 1. habe sich vor dem Unfall bereits zwei Minuten auf der linken Spur befunden, nicht der Wahrheit entsprechen würde. Die insoweit von dem LG vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Sie ist weder in sich widersprüchlich, noch läuft sie den De...