BGB § 670 § 689 § 823; SGB VII § 2 § 104; StVG § 7 § 8 Nr. 2 § 18; VVG § 115
Leitsatz
Wer im Winter auf schneeglatter Fahrbahn ein steckengebliebenes Fahrzeug anschiebt, wird bei dessen Betrieb tätig.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2015 – I-1 U 87/14
Sachverhalt
Der Kl. kam zu Fall, als er im Winter versuchte, auf schneeglatter Fahrbahn das liegengebliebene Fahrzeug des Bekl. zu 1) anzuschieben, das seine Fahrspur blockierte. Der Kl. brach sich das linke Sprunggelenk und musste zwei Wochen stationär behandelt werden. Weiterhin verrenkte er sich zwei Finger der linken Hand und erlitt Schürfwunden. Der Kl. hat mit der Klage die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie die Erstattung unfallbedingter Aufwendungen verfolgt. Außerdem hat er die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich aller zukünftigen materiellen Schäden begehrt. Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"I. Zu Recht hat das LG einen Anspruch des Kl. wegen Gefährdungshaftung aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG aufgrund des Ausschlussgrundes des § 8 Nr. 2 StVG verneint."
1. Nach § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kfz tätig war. Erfasst sind Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kfz den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kfz tätig geworden sind (BGH, Urt. v. 5.10.2010 – VI ZR 286/09, NZV 2010, 609). Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteilwerden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt. Als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung des § 8 Nr. 2 StVG eng auszulegen. Für deren Anwendung kommt es nicht auf die Art der Tätigkeit zur Zeit des Schadensfalles an, sofern sie nur der Förderung des Betriebes des Kfz dient. Jedoch setzt die Tätigkeit bei dem Betrieb eines Kfz im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus. Fehlt es an einer Dauerbeziehung, wie dies bei gelegentlichen Hilfeleistungen durch an dem Betriebe unbeteiligter Personen der Fall ist, so kann eine den Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG herbeiführende Tätigkeit nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur angenommen werden, wenn diese in einer so nahen und unmittelbaren Beziehung zu den Triebkräften des Kfz steht, dass der Tätige nach der Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs freiwillig mehr ausgesetzt ist als die Allgemeinheit (BGH, a.a.O. zit. n. juris Rn 23).
2. Eben dies ist hier allerdings der Fall. Der Kl. hat den Betrieb zwar nicht dauerhaft gefördert, sondern nur bei Gelegenheit Hilfe geleistet; er hat sich beim Anschieben aber freiwillig in eine so nahe und unmittelbare Beziehung zu den Triebkräften des Pkws des Bekl. begeben, dass er nach Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs mehr ausgesetzt war als die Allgemeinheit. Dies gilt namentlich, weil der Motor in Betrieb war, der Kl. eine körperliche Verbindung zu dem Fahrzeug herstellte und es gerade die Triebkräfte des Motors waren, die das Fahrzeug bewegten und mittelbar den Sturz des Kl. auslösten.
3. Der Befund wird durch das Urteil des OLG München v. 25.1.1990 (24 U 618/89, NZV 1990, 393) nicht infrage gestellt. Zwar ist das OLG München in dieser Entscheidung zu dem Schluss gelangt, dass “ein kurzes Anschieben-Helfen‘ als gelegentliche Hilfeleistung dem Tatbestand des § 8 Nr. 2 StVG nicht unterfalle. Jedoch ist dieses Urteil lange vor der hier o.g. einschlägigen Entscheidung des BGH ergangen, durch die die Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals konkretisiert und modifiziert worden sind. Und es erscheint auch nicht sicher, dass das OLG München den hier zugrunde liegenden Fall anders beurteilt hätte, da es andererseits in den Entscheidungsgründen heißt, dass auch wer “ein Fahrzeug allein schiebt‘ bei dessen Betrieb tätig sei.
4. Das Thüringer OLG hat im Übrigen den umgekehrten Fall, nämlich dass sich ein Helfer während des Betriebes eines Fahrzeuges vor dieses stellt und versucht, es mit den Händen aufzuhalten, als Tätigkeit i.S.d. § 8 Nr. 2 StVG angesehen (Thüringer OLG, Urt. v. 4.2.1999 – 1 U 425/98). Dies stellt gewissermaßen das Gegenstück zu der hiesigen Handlung dar.
5. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Tatbestand des § 8 Nr. 2 StVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist – wobei übersteigerte Anforderungen an die Intensität der Mitwirkung beim Betrieb nicht zu stellen sind (OLG Frankfurt, Urt. v. 5.12.2008 – 15 U 110/08) – ist der Senat daher der Ansicht, dass die von dem LG vertretene Auffassung zutreffend ist und das Anschieben eines liegen gebliebenen Fahrzeugs dem Gesetz unterfällt (in diesem Sinne auch Greger, in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 19 Rn 11).
II. Damit scheitert auch e...