Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung bei Kfz-Unfall: Sturz beim Anschieben eines auf einer vereisten Steigung stehen gebliebenen Fahrzeugs; Ausschluss der Halterhaftung
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1, § 8 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 15.05.2014; Aktenzeichen 6 O 380/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.5.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Parteien streiten um die Frage der Haftung für - im Einzelnen streitige - Schäden des Klägers, nachdem dieser das auf einer vereisten Steigung stehengebliebene Fahrzeug des Beklagten zu 1) versucht hat, anzuschieben und sich dabei durch einen Sturz verletzte.
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist unbegründet. Ihm stehen keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu.
I. Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers wegen Gefährdungshaftung aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG aufgrund des Ausschlussgrundes des § 8 Nr. 2 StVG verneint.
1. Nach § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. Erfasst sind Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 5.10.2010 - VI ZR 286/09, NZV 2010, 609). Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteil werden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt. Als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung des § 8 Nr. 2 StVG eng auszulegen. Für deren Anwendung kommt es nicht auf die Art der Tätigkeit zur Zeit des Schadensfalles an, sofern sie nur der Förderung des Betriebes des Kfz dient. Jedoch setzt die Tätigkeit bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus. Fehlt es an einer Dauerbeziehung, wie dies bei gelegentlichen Hilfeleistungen durch an dem Betriebe unbeteiligter Personen der Fall ist, so kann eine den Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG herbeiführende Tätigkeit nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur angenommen werden, wenn diese in einer so nahen und unmittelbaren Beziehung zu den Triebkräften des Kfz steht, dass der Tätige nach der Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs freiwillig mehr ausgesetzt ist als die Allgemeinheit (BGH, a.a.O. zitiert nach juris Rdn. 23).
2. Eben dies ist hier allerdings der Fall. Der Kläger hat den Betrieb zwar nicht dauerhaft gefördert, sondern nur bei Gelegenheit Hilfe geleistet; er hat sich beim Anschieben aber freiwillig in eine so nahe und unmittelbare Beziehung zu den Triebkräften des PKWs des Beklagten begeben, dass er nach Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs mehr ausgesetzt war als die Allgemeinheit. Dies gilt namentlich, weil der Motor in Betrieb war, der Kläger eine körperliche Verbindung zu dem Fahrzeug herstellte und es gerade die Triebkräfte des Motors waren, die das Fahrzeug bewegten und mittelbar den Sturz des Klägers auslösten.
3. Der Befund wird durch das Urteil des OLG München vom 25.1.1990 (24 U 618/89, NZV 1990, 393) nicht infrage gestellt. Zwar ist das OLG München in dieser Entscheidung zu dem Schluss gelangt, dass "ein kurzes Anschieben-Helfen" als gelegentliche Hilfeleistung dem Tatbestand des § 8 Nr. 2 StVG nicht unterfalle. Jedoch ist dieses Urteil lange vor der hier o.g. einschlägigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes ergangen, durch die die Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals konkretisiert und modifiziert worden sind. Und es erscheint auch nicht sicher, dass das OLG München den hier zugrunde liegenden Fall anders beurteilt hätte, da es andererseits in den Entscheidungsgründen heißt, dass auch wer "ein Fahrzeug allein schiebt" bei dessen Betrieb tätig sei.
4. Das Thüringer Oberlandesgericht hat im Übrigen den umgekehrten Fall, nämlich dass sich ein Helfer während des Betriebes eines Fahrzeuges vor dieses stellt und versucht, es mit den Händen aufzuhalten, als Tätigkeit im Sinne des § 8 Nr. 2 StVG angesehen (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 4.2.1999 - 1 U 425/98). Dies stellt gewissermaßen das Gegenstück zu der hiesigen Handlung dar.
5. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Tatbestand des § 8 Nr. 2 StVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist - wobei übersteigerte Anforderungen an die Intensität der Mitwirkung beim Betrieb nicht zu stellen sind (OLG Frankfurt, Urteil vom 5.12.2008 - 15 U 110/08) - ist der Senat daher der Ansicht, dass die von dem Landgericht vertretene Auffassung zu...