Das Pendant zum Abwesenheitsverfahren ist das Verwerfungsurteil, § 74 Abs. 2 OWiG. Gleich zwei Gerichte befanden die Norm des § 74 Abs. 2 OWIG für rechtsgültig und sahen keinen Widerspruch gegen Art. 6 Abs. 3 EMRK.
Ansonsten wartete vor allem das KG Berlin mit reger Rechtsprechungstätigkeit auf. Zunächst einmal konstatierte das KG Berlin zur Frage der unentschuldigten Abwesenheit, dass das Gericht aufgrund seiner Fürsorge- und Aufklärungspflicht vor Erlass eines Verwerfungsurteils grundsätzlich bei der Geschäftsstelle nachfragen muss, ob eine Mitteilung über die Verhinderung des Betroffenen vorliegt. Nur wenn das Entschuldigungsvorbringen von vornherein ungeeignet gewesen wäre, das Fernbleiben zu entschuldigen, beruht das Urteil nicht auf dem Verfahrensfehler. Gleich wieder einschränkend dazu meint das KG Berlin, dass es die Fürsorgepflicht jedoch nicht gebietet, bei allen Einlaufstellen für digitale und physikalische Post nachzufragen. Dies dürfte allerdings nur für große Amtsgerichte gelten. Bei kleineren Einheiten ist es bereits bejaht worden, dass der Richter auch beim Zentralfax nachfragen muss.
Zum Ausbleiben des Betroffenen aufgrund eines Hinweises des Verteidigers entschied das KG Berlin, dass zwar grundsätzlich das Ausbleiben auch dann als entschuldigt anzusehen sein kann, wenn es auf einem Hinweis des Verteidigers beruht. Ein Vertrauen auf derartige Hinweise sei aber dann nicht gerechtfertigt, wenn sich dem Betroffenen Zweifel aufdrängen müssen, ob die Mitteilung zutreffend ist. Dann müsse der Betroffene dem ggf. durch Nachfrage bei Gericht nachgehen. Zu beachten ist auch: Die Verpflichtung des Betroffenen eines Bußgeldverfahrens, zur Hauptverhandlung zu erscheinen, besteht auch dann, wenn sein Verteidiger verhindert ist und das Gericht den Betroffenen nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden hat.
Bei zeitlich nicht beschränkter Unterbrechung der Hauptverhandlung, um ein gerichtliches Hinweisschreiben zu erörtern, darf das Gericht nicht nach wenigen Minuten die Sache wieder aufrufen und ein Verwerfungsurteil erlassen.
Im Bereich der Rechtsbeschwerde gab es eine bemerkenswerte Entscheidung. Das OLG Brandenburg fordert, dass die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs, die darauf gestützt wird, das Amtsgericht hätte zur Sache verhandeln müssen, weil der Betroffene nach § 73 OWiG entbunden worden war, darzulegen habe, welcher Sachvortrag gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen gewesen wäre und infolge der Verwerfung des Einspruchs unberücksichtigt geblieben ist. Ansonsten sei Rechtsbeschwerde nicht zulässig erhoben. Ich halte dies für höchst bedenklich! Denn der Betroffene, der vom persönlichen Erscheinen entbunden worden war, hat doch schon alles gesagt, was er hätte sagen wollen. Da ist es geradezu absurd, nun von ihm zu verlangen, darzulegen, was er an Sachvortrag hätte vorbringen wollen. Meiner Ansicht nach verkennen hier das OLG Brandenburg und auch das in Bezug genommene OLG Düsseldorf, dass dem Betroffenen durch diese Anforderung das rechtliche Gehör bezüglich der von Amts wegen durchzuführenden Prüfung des Tatbestands und der Rechtsfolgen genommen wird. Denn die erspart sich das Gericht durch die "Abkürzung" in Form des Verwerfungsurteils. Das kann aber nicht sein. Auf diese Weise könnte das Gericht ja jedes Mal statt eines gebotenen Abwesenheitsverfahrens das Verwerfungsurteil wählen und der Betroffene müsste dann entgegen der Unschuldsvermutung in der Rechtsbeschwerdebegründung vortragen, was er gegen den Tatvorwurf vorzubringen gedacht hätte. Das kann nicht sein. Dennoch muss der Verteidiger sich dieser Besonderheit und regionalen Divergenz gewahr sein.
Bezüglich des Wiedereinsetzungsverfahrens gab es ebenfalls Entscheidungen. Das AG Weißenfels bejahte, wenn der Betroffene wiederholt kurzfristig vor dem Hauptverhandlungstermin erkrankte, die Anforderung eines amtsärztlichen Attests. Das LG Gießen stellte klar, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für einen bewusst zur Hauptverhandlung nicht erschienenen Betroffenen nicht gewährt werden kann. Konkret ergab sich, dass der Betroffene von dem Termin wusste, aber nicht vorgebracht hatte, gehindert gewesen zu sein, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Das BVerfG entschied übrigens zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dass diese dann zu gewähren ist, wenn der Betroffene aufgrund einer fehlenden gerichtlichen Rechtsmittelbelehrung ein Rechtsmittel nicht fristgerecht eingelegt hat. Jedenfalls wenn es um eine Wiedereinsetzung im Strafverfahren geht, ist zu berücksichtigen, dass das Strafprozessrecht hinsichtlich der Pflicht zur Rechtsbehelfsbelehrung und hinsichtlich der Folgen diesbezüglicher Verstöße (§ 35a S. 1 StPO, § 44 S. 2 StPO) nicht danach unterscheidet, ob der Betroffene anwaltlich vertreten ist oder nicht.