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Der Beitrag setzt die Übersichtsartikel der vergangenen Jahre fort. Der Fokus liegt auch in diesem Jahr auf dem gerichtlichen Verfahren, jedoch werden thematisch korrelierende Entscheidungen ebenfalls erfasst. Die Bandbreite der Themen war im Jahr 2014 groß, wenngleich nur in wenigen Bereichen wirklich wegweisende Entscheidungen zu finden waren.
A. Gerichtliches Verfahren
Zum Zwischenverfahren gab es nur eine bemerkenswerte Entscheidung, nämlich durch das AG Gelnhausen, das bei unzureichender Beteiligung der Behörde und Delegation der Messung an Private eine Rückgabe nach § 69 Abs. 5 OWiG samt erneuter korrekter Auswertung der gemessenen Fälle befürwortet.
B. Hauptverhandlung
Das OLG Hamm erleichtert die Beweisaufnahme in Standardfällen enorm. Es konstatierte, dass es sich beim Messprotokoll um eine "in einer Urkunde enthaltene Erklärung der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen" handelt, die keine Vernehmung zum Gegenstand hat (§ 256 StPO i.V.m. § 71 OWiG). § 77a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 OWiG greift nicht ein, da das Zustimmungserfordernis hier nur gilt, wenn es um Erklärungen geht, die nicht schon unter § 256 StPO fallen. Der Verteidiger muss also einen Beweisantrag stellen, wenn er den Messbeamten als Zeugen benötigt.
Zahlreiche Entscheidungen befassten sich mit den Messverfahren. Dabei standen Messungen mit dem System PoliScan Speed mehrfach im Fokus des Interesses. Es gibt nach wie vor amtsgerichtliche Entscheidungen, die umfassend und mit teilweise beachtlichen Begründungsansätzen das Messverfahren anzweifeln. Allerdings hat die obergerichtliche Rechtsprechung klar und einhellig diesen Versuchen eine Absage erteilt. Es wird sich zeigen, wie beharrlich Amtsgericht und Sachverständige weiterhin versuchen werden, sich den Messverfahren im Detail anzunähern.
Eine interessante Nuance zur Identifikation des Betroffenen hatte das KG Berlin zu entscheiden. Es handelte sich um ein Carsharing-Modell, bei dem die Fahrzeuge mit einem im Führerschein eingeklebten Chip (ID) und einem PIN-Code geöffnet und gestartet werden. Wenn der Betroffene sich nicht dazu einlässt, ob er zur Tatzeit der Fahrer gewesen ist, bedarf es im Zweifel eines Identitätsgutachtens, ein bloßer Rückschluss aus den Anmietumständen genügt i.d.R. nicht.
Das KG Berlin hält einen Hinweis nach § 265 StPO in der Hauptverhandlung für nicht zwingend, wenn der Richter beabsichtigt, die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu erhöhen.
Das KG Berlin bestätigte die fehlende Belehrungspflicht des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung, sodass deren Fehlen nicht zur Unverwertbarkeit der Messung führt. Der Verteidiger muss das Fehlen der Belehrung demnach nur bei besonderen Umständen nach § 257 StPO rügen.
C. Urteil
Hinsichtlich der notwendigen Feststellungen zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung stellte das OLG Bamberg fest, dass es für die Feststellung der tatsächlichen Messwerte zur konkreten Geschwindigkeit des Betroffenen nicht genügt, in den Urteilsgründen ausschließlich gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Messfoto Bezug zu nehmen. Insbesondere die Messdaten werden davon nämlich nicht erfasst. Das KG Berlin bestätigte die bisherige Rechtsprechung, dass eine nach § 71 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO erfolgende Verweisung auf ein bei den Akten befindliches Videoband unzulässig ist. Die Videoaufzeichnung wird durch die Verweisung nicht zum Bestandteil der Urteilsgründe.
Das OLG Koblenz entschied, dass der Tatrichter grundsätzlich davon ausgehen darf, dass aufgestellte Verkehrszeichen von den Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden. Die Möglichkeit, dass ein Kraftfahrer ein Zeichen übersehen hat, braucht nur dann in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür konkrete Anhaltspunkte ergeben oder der Betroffene dies im Verfahren einwendet. Zudem müsse das Urteil das angewandte Messverfahren, den berücksichtigten Toleranzwert und darüber hinaus die Mitteilung enthalten, dass die Bedienungsvorschriften beachtet worden sind und das Gerät geeicht war.
Dazu passt auch Folgendes: Das OLG Hamm bestätigte die bisherige Praxis, dass bei einem Schuldspruch wegen (vorsätzl...