Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 11.01.2018; Aktenzeichen (303 OWi) 3034 Js-OWi 11584/17 (1179/17)) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. Januar 2018 wird verworfen.
Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen eines fahrlässigen (einfachen) Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 240,00 Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt; eine Wirksamkeitsbestimmung bzgl. des Fahrverbots nach § 25 Abs. 2a StVG hat es dabei nicht getroffen. Die Urteilsgründe weisen aus, dass die Betroffene, gegen die zwischen dem 22. Dezember 2015 und dem 8. März 2017 insgesamt sechs Bußgeldbescheide, davon die zeitlich ersten fünf wegen Geschwindigkeitsverstößen (derjenige des Polizeipräsidenten in Berlin vom 28. Juni 2016 beinhaltete auch die Anordnung eines einmonatigen Fahrverbots) und der zeitlich letzte wegen unerlaubter Nutzung von Mobiltelefonen, rechtskräftig erlassen worden waren, am 22. Mai 2017 um 19:36 Uhr mit ihrem PKW Audi mit dem amtlichen Kennzeichen ... die Haltelinie vor der für sie rot abstrahlenden Lichtzeichenanlage an der Kreuzung Weitlingstraße/Irenenstraße in 10315 Berlin überfuhr, obschon sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass sie ihr Fahrzeug hätte anhalten müssen.
Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:
"Der Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie
- das Verfahren beanstandet und
- die Verletzung sachlichen Rechts rügt,
muss der Erfolg versagt werden.
1. Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen ... zu Unrecht abgelehnt, kann der Rechtsbeschwerde im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen. Sie ist jedenfalls unbegründet.
a. Der Ablehnungsgrund der verspäteten Antragstellung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG liegt allerdings nicht vor.
Denn dieser setzt voraus, dass die beantragte Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen müsste. Darunter ist nur die Aussetzung gemäß § 228 StPO mit der Folge, dass die Hauptverhandlung neu durchgeführt werden muss, nicht auch eine Unterbrechung der Hauptverhandlung i.S.d. § 229 StPO gemeint (vgl. OLG Hamm NZV 2008, 161, 161). Der Richter muss sich deshalb vor der auf § 77 Abs. 2 Satz 2 OWiG gestützten Ablehnung eines Beweisantrages Gewissheit darüber verschaffen, ob die Hauptverhandlung mit der beantragten Beweiserhebung innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO fortgeführt werden kann. Ohne eine solche Prüfung, die sich vorliegend weder aus dem Beschluss noch aus den Urteilsgründen ergibt, durfte der Beweisantrag nicht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zurückgewiesen werden. Die Erforderlichkeit einer Aussetzung der Hauptverhandlung liegt vorliegend auch nicht auf der Hand. Vielmehr ist angesichts dessen, dass die Betroffene in ihrem Beweisantrag den Namen und die Anschrift des Zeugen angegeben hat und der Zeuge in Berlin hätte geladen werden könne, davon auszugehen, dass die beantragte Beweiserhebung binnen drei Wochen und damit innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO hätte durchgeführt werden können.
b. Das Gericht hat aber seinen Beschluss zulässig auch auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützt.
aa. § 77 Abs. 2 Nr.1 OWiG bestimmt, dass ein Beweisantrag auch abgelehnt werden kann, wenn das Gericht den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt und die weitere Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält. Danach gilt das Verbot einer dem Betroffenen ungünstigen Vorwegnahme der Beweiswürdigung zwar nicht uneingeschränkt. Jedoch wird ein Antrag auf Vernehmung eines Entlastungszeugen in der Regel nicht abgelehnt werden können, sondern die Aufklärungspflicht gebietet seine Anhörung, wenn sein unter Beweis gestelltes Wissen den Bekundungen eines einzigen Belastungszeugen gegenüber steht und seine Benennung das Ziel hat, dessen Aussage zu widerlegen (vgl. KG, Beschluss vom 05. Dezember 2011 - 3 Ws (B) 560/11 -, [juris]).
bb. Dass zur Widerlegung der Aussagen einzelner Belastungszeugen benannte Entlastungszeugen zu vernehmen sind, ist jedoch kein ausnahmslos geltender Grundsatz, sondern es sind im Einzelfall das bereits gewonnene Beweisergebnis unter Berücksichtigung der Verlässlichkeit der Beweismittel und die beantragte Beweiserhebung gegeneinander abzuwägen. Auch hierbei ist entscheidend, ob die Beweisaufnahme sich aufdrängt oder zumindest nahe liegt (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 542, 543). Nach dieser Abwägung kann ein Beweisantrag auch mit der Begründung abgelehnt werden, dass es unwahrscheinlich oder nicht damit zu rechnen sei, das benannte Beweismittel könne die behauptete Tatsache erweisen (vgl. KG a.a.O. m.w.N.).
cc. Nach diesen Grundsätzen ist di...