AHB 2008 Ziff. 1.1
Leitsatz
Für die Frage, ob das Schadensereignis i.S.v. Ziff. 1.1 AHB 2008 in die Vertragslaufzeit einer Betriebshaftpflichtversicherung fällt, kommt es darauf an, ob die schädliche Einwirkung auf die Sache eines Dritten jedenfalls auch innerhalb der versicherten Zeit erfolgte.
OLG Karlsruhe Urt. v. 31.3.2015 – 12 U 289/14
Sachverhalt
Der Kl. beansprucht von der Bekl. Deckungsschutz im Rahmen einer Betriebshaftpflichtversicherung. Der Kl. ist selbstständiger Dachdeckermeister. Er führte im Jahre 2007 für die A Systembau (fortan: Auftraggeberin) Flachdacharbeiten beim Neubau der Neonatologie im Klinikum K aus. Die Arbeiten wurden im Jahr 2007 abgenommen. Der Kl. unterhielt zwischen 1.1.2008 und 2012 bei der Bekl. eine Betriebshaftpflichtversicherung. Vor diesem Zeitraum bestand eine Betriebshaftpflichtversicherung mit der Streithelferin. In Ziffer 1.1 der AHB, die dem Versicherungsverhältnis zugrunde liegen, ist geregelt:
"Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der VN wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an."
Im Jahr 2010 traten in den unter dem Flachdach liegenden Räumen Geruchsbelästigungen auf. In den Sommermonaten kam es zu Wasserschäden im Bereich des Objektes. Als Ursache wurde eine mangelhafte Verlegung der Dachbahnen festgestellt. Die Auftraggeberin führte sodann Mangelbeseitigungsarbeiten durch und nahm den Kl. vor dem LG S auf Erstattung der entstandenen Kosten der Sanierungsmaßnahmen in Anspruch.
Der Kl. hat die Auffassung vertreten, die Bekl. habe im Rahmen der zwischen 1.1.2008 und 2012 bestandenen Betriebshaftpflichtversicherung bedingungsgemäßen Deckungsschutz zu gewähren. Maßgeblich für die Beurteilung der Einstandspflicht der Bekl. sei nach § 1 AHB das Schadensereignis. Abzustellen sei dabei auf die nach außen aufgetretenen Mangelerscheinungen. Mangelerscheinungen seien erst 2010 zu verzeichnen gewesen. Auf die im Jahre 2007 durchgeführten Dachdeckerarbeiten, die den späteren Schaden verursacht haben können, komme es demgegenüber nicht an.
2 Aus den Gründen:
" … Zwischen den Parteien steht allein die Frage im Streit, ob der geltend gemachte Schaden in die versicherte Zeit fällt. Diese Frage hat das LG auf der Grundlage des Urteils des BGH vom 26.3.2014 (IV ZR 422/12 – NJW 2014, 2038) zu Recht bejaht."
1. Nachdem die Wirksamkeit der hier zugrunde liegenden Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Teilen der Literatur unter dem Gesichtspunkt der Transparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und der Mehrdeutigkeit (§ 305c Abs. 1 BGB) in Zweifel gezogen wurde (Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 100 Rn 31; HK-VVG/Schimikowski, 2. Aufl., AHB Ziff. 1 Rn 13; anders MüKo-VVG/Littbarski, § 100 Rn 117 ff.), hat der BGH die Wirksamkeit der Bestimmung nunmehr bejaht (NJW 2014, 2038 Rn 33 ff.).
2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach st. Rspr. so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (BGH VersR 2012, 1149 Rn 21; NJW 2014, 2038 Rn 37).
3. Die diesen Vorgaben folgende Auslegung der Ziffer 1.1 AHB ergibt, dass im Streitfall erst der Eintritt des Wassers als das maßgebliche Schadensereignis anzusehen ist.
a) Der durchschnittliche VN wird S. 3 der Ziffer 1 AHB zunächst entnehmen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung ankommt, da diese erst noch zum Schadenereignis führen muss. Der Zeitpunkt der Ausführung der Dacharbeiten scheidet damit aus. Umgekehrt wird er aufgrund der Regelung der Ziffer 1.1 S. 2 AHB erkennen, dass das Schadenereignis zeitlich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss, da die Schädigung als Folge des Schadenereignisses bezeichnet ist. Dabei muss der zeitliche Abstand allerdings nicht groß sein, da die Schädigung des Dritten “unmittelbar‘ aus dem Schadenereignis entstanden sein soll. Danach kommt auch die Abnahme der fehlerhaften Arbeit als maßgebliches Ereignis nicht in Betracht; sie führt die Schädigung nicht unmittelbar herbei. Als möglicher Anknüpf...