[9] "… II. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der VGH gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg."
[10] Nicht durchdringen kann der ASt. mit seinem Einwand, die Fahrerlaubnisbehörde müsse sich ein Verschulden der Staatsanwaltschaft Münster bei der Übermittlung des Urteils zurechnen lassen und sein Punktestand sei deshalb auf sieben Punkte zu reduzieren. Der ASt. hat weder einen Anspruch glaubhaft gemacht, dass die Punkte für die Ordnungswidrigkeit vom 27.10.2014 wegen einer verzögerten Übermittlung überhaupt nicht berücksichtigt werden dürfen, noch dass sich die Fahrerlaubnisbehörde die Kenntnis einer anderen Behörde hinsichtlich der rechtskräftigen Ahndung dieses Verkehrsverstoßes im Rahmen des § 4 Abs. 5 S. 6, Abs. 6 S. 4 StVG in der ab 1.5.2014 geltenden Fassung (BGBl I S. 3313), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.6.2015 (BGBl I S. 904), zurechnen lassen muss.
[11] 1. Der ASt. hat keinen Anspruch darauf, dass die Punkte für die erst am 18.11.2015 im Fahreignungsregister eingetragene Ordnungswidrigkeit vom 27.10.2014 wegen eines Verstoßes gegen § 28 Abs. 4 StVG nicht berücksichtigt werden, denn eine solche Rechtsfolge sehen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht vor. Nach § 28 Abs. 4 StVG teilen die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach § 28 Abs. 3 StVG zu speichernden oder zu einer Änderung oder Löschung einer Eintragung führenden Daten mit. Unverzüglich bedeutet dabei ohne schuldhaftes Zögern und verlangt lediglich ein nach den Umständen des Falles zu bemessendes beschleunigtes Handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1988 – 1 C 71/86, NJW 1989, 52). An einen Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung knüpfen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften aber keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Die Pflicht dient einem beschleunigten Verfahrensablauf sowie der Verkehrssicherheit und soll es den Fahrerlaubnisbehörden ermöglichen, die in § 4 Abs. 5 S. 1 StVG vorgesehenen Maßnahmen zeitnah zu ergreifen. § 28 Abs. 4 StVG schützt demgegenüber nicht das Interesse der Fahrerlaubnisinhaber an einer möglichen Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG. Für die Fahrerlaubnisinhaber kann eine verzögerte Übermittlung einer rechtskräftigen Entscheidung zudem auch vorteilhaft sein, denn es kann dadurch zu einer zeitgleichen Übermittlung mit späteren Meldungen kommen, die ggf. zu einer Punktereduzierung führen kann.
[12] 2. Die Fahrerlaubnisbehörde muss sich hier die Kenntnis der Staatsanwaltschaft oder des AG Münster von dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens am 23.6.2015 auch nicht als eigene Kenntnis nach § 4 Abs. 5 S. 6 Nr. 1, Abs. 6 S. 3 Nr. 2 StVG zurechnen lassen, obwohl vieles dafür spricht, dass die Übermittlung des Urteils an das Kraftfahrt-Bundesamt durch die Anbringung eines falschen Rechtskraftvermerks schuldhaft verzögert worden ist. Ob der ASt. durch seine erfolgreichen Bemühungen, eine Parallelvollstreckung der drei Fahrverbote zu erreichen, einen Verursachungsbeitrag dazu geleistet und die Verzögerung (mit)verursacht hat, lässt sich den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen.
[13] Die Fahrerlaubnisbehörde muss sich die Kenntnis einer anderen Behörde über eine rechtskräftig geahndete Verkehrszuwiderhandlung im Rahmen des § 4 Abs. 5 S. 6, Abs. 6 S. 4 StVG nur dann zurechnen lassen, wenn ein Berufen auf die Unkenntnis als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Verzögerung der Mitteilung nicht nur auf einem bloßen Versehen beruht, sondern willkürlich, insb. mit dem Ziel, eine Punktereduzierung zu verhindern, hervorgerufen wurde (vgl. für eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 6 S. 3 StVG bei willkürlicher Verzögerung OVG NW, Beschl. v. 7.10.2015 – 16 B 554/15, VRS 129, 164 = juris Rn 27; rechtsstaatliche Bedenken bei willkürlicher Verzögerung durch die Fahrerlaubnisbehörde VGH BW, Beschl. v. 6.8.2015 – 10 S 1176/15, [Der Verkehrsanwalt 2015, 305 =] DAR 2015, 658 = juris Rn 23). Bei der Bewertung des Sachverhalts ist zu berücksichtigen, dass die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften kein Vertrauen dahingehend gewähren, dass bei Eintritt der Rechtskraft am gleichen Tag verschiedene Entscheidungen gleichzeitig an das Kraftfahrt-Bundesamt gemeldet, dort eingetragen und dann der Fahrerlaubnisbehörde so übermittelt werden, dass der Betreffende in den Genuss einer Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG kommt (vgl. BayVGH, Urt. v. 11.8.2015 – 11 BV 15.909, [zfs 2015, 654=] VRS 129, 27 = juris Rn 29). Die Punktereduzierung dient nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem nicht mehr dazu, die Warn- und Erziehungsfunktion des Punktesystems zu gewährleisten, denn der Gesetzgeber hat bei der Rechtsänderung zum 1.5.2014 zugunsten der Verkehrssicherheit von dieser Zielsetzung Abstand genommen (BayVGH, Urt. v. 11.8.2015 a.a.O. Rn 25). Eine Reduzierung der Punkte nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG soll nach der Ges...