[4] "… I. Das BG hat ausgeführt, es fehle an einer objektiven Pflichtverletzung des Bekl.. Dieser habe ausweislich der Klageschrift des Vorprozesses vorgetragen, dass der Abschluss einer All-Risk-Versicherung vereinbart gewesen sei, die D-GmbH jedoch abredewidrig eine Seetransportversicherung mit C-Klausel abgeschlossen habe. Die behauptete Vereinbarung, eine All-Risk-Versicherung abzuschließen, habe der Beklagte außerdem unter Beweis gestellt. Dass eine All-Risk-Versicherung sämtliche Schäden abdecke, ergebe sich schon aus ihrer Bezeichnung. Daher sei ein Anwaltsfehler des Bekl. hier nicht zu erkennen. Er könne allenfalls in dem unterlassenen Hinweis an das BG liegen, nachdem das Erstgericht auf die Frage der fehlerhaften Eindeckung nicht eingegangen sei. Ein solcher Hinweis sei erst in der mündlichen Verhandlung erfolgt. Da die insoweit notwendigen Tatsachen vollständig vorgetragen worden seien, habe der Beklagte nicht zu verantworten, dass das BG diesem Hinweis nicht nachgegangen sei (“iura novit curia’)."
[5] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
[6] 1. Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch seines Mandanten klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann (BGH NJW 2013, 2965 = WM 2013, 1754 Rn 8).
[7] a) Zwar weist die Zivilprozessordnung die Entscheidung und damit die rechtliche Beurteilung des Streitfalls dem Gericht zu; dieses trägt für sein Urteil die volle Verantwortung. Es widerspräche jedoch der rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, würde man ihre Aufgabe allein in der Beibringung des Tatsachenmaterials sehen. Der Möglichkeit, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen, entspricht im Verhältnis zum Mandanten die Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen. Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums ist es Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken. Dies entspricht auch dem in § 1 Abs. 3 BORA zum Ausdruck gekommenen Selbstverständnis der Anwaltschaft (BGH NJW 2009, 987 = WM 2009, 324 Rn 8).
[8] b) Im Zivilprozess obliegt die Beibringung des Tatsachenstoffs in erster Linie der Partei. Der für sie tätige Anwalt ist über den Tatsachenvortrag hinaus verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist (BGH NJW-RR 1990, 1241, 1242; NJW 1994, 1211, 1213). Daher muss der Rechtsanwalt alles – einschließlich Rechtsausführungen – vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann (BGH NJW 1974, 1865, 1866). Kann die Klage auf verschiedene rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, ist der Sachvortrag so zu gestalten, dass alle in Betracht kommenden Gründe im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten konkret dargelegt werden (BGH NJW 2002, 1413). Hat der Anwalt eine ihm übertragene Aufgabe nicht sachgerecht erledigt und auf diese Weise zusätzliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hervorgerufen, sind die dadurch ausgelösten Wirkungen ihm grds. zuzurechnen. Folglich haftet er für die Folgen eines gerichtlichen Fehlers, sofern dieser auf Problemen beruht, die der Anwalt durch eine Pflichtverletzung erst geschaffen hat oder bei vertragsgemäßem Arbeiten hätte vermeiden müssen (BGH NJW 1998, 2048, 2050; BGHZ 174, 205 Rn 15). Etwaige Versäumnisse des Gerichts schließen die Mitverantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Versehen grds. nicht aus (BGH NJW-RR 1990, 1241, 1242). Der Verpflichtung, “das Rechtsdickicht zu lichten’, ist der Rechtsanwalt folglich nicht wegen der dem Gericht obliegenden Rechtsprüfung (“iura novit curia’) enthoben (Vill, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Hdb der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn 54).
[9] 2. Die angefochtene Entscheidung, die den Rechtsanwalt unter Berufung auf den Grundsatz “iura novit curia’ von der gebotenen umfassenden Darlegung des Rechtsstandpunkts seiner Partei freistellt, wird diesen Maßstäben nicht gerecht. Vielmehr hat der Beklagte die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht missachtet, weil er in dem Vorprozess den aus der Interessenlage der von ihm vertretenen Partei streitentscheidenden Gesichtspunkt der Verwirklichung eines vereinbarungswidrigen, unzureichenden Versicherungsschutzes nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat.
[10] a) Der Beklagte hat in dem Ausgangsverfahren in erster Linie ausgeführt, die dortige Beklagte habe die Güter abredewidrig und zugleich gefahrerhöhend statt auf direktem Wege durch Umladungen in Zwischenhäfen sowie auf und nicht unter Deck transportiert, so dass sie für die Beschädigungen der ordnungsgemäß verpackten Ware verantwortlich sei....