Es ist letztlich noch nicht geklärt, ob eine Wohnsitzdauer von 185 Tagen im Ausstellerstaat bei Ausstellung des Führerscheins erfüllt sein muss oder ob es ausreicht, wenn ein Wohnsitz in der Weise begründet wird, dass es als gesichert anzunehmen ist, dass dort ein Aufenthalt von 185 Tagen erfolgen wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage – soweit ersichtlich – bislang nicht ausdrücklich entschieden.
Eine unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis muss nicht anerkannt werden. Ein solcher Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip darf nach der Rechtsprechung des EuGH nur aus dem Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen abgeleitet werden. Eigene Angaben des Führerscheininhabers gegenüber Behörden oder Gerichten, selbst wenn ein Wohnsitzverstoß eingeräumt wird, dürfen in diesem Rahmen nicht verwertet werden.
Wird eine unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip in einem EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis in einen Führerschein eines anderen EU-Mitgliedstaates umgetauscht, so führt auch der umgetauschte Führerschein nicht zu einer anzuerkennenden Fahrerlaubnisberechtigung. Dabei ist es unerheblich, dass eine Konstellation der Ausstellung eines EU-Führerscheins nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu einer Anerkennungspflicht in einem anderen Mitgliedstaat führt, wobei dieses Ergebnis aufgrund einer analogen Anwendung der nationalen Vorschrift des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) erreicht wird. Denn der Normgeber wollte mit § 28 Abs. 4 S. 1 FeV möglichst umfassend von der Möglichkeit zur Nichtanerkennung nach der Rechtsprechung des EuGH Gebrauch machen und hat lediglich einzelne Alternativen dieser Rechtsprechung in § 28 Abs. 4 S. 1 FeV nachgezeichnet.
Wird neben dem feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Fahrberechtigung im Inland nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV die Pflicht zur Vorlage des Führerscheins zum Eintrag dieser Beschränkung verfügt, so muss die Feststellung über die fehlende Fahrberechtigung für sofort vollziehbar erklärt werden. Nur so kann für den Fall eines Widerspruchs oder einer Klage gegen die Feststellung die Vorlage des Führerscheins (§ 47 Abs. 1 S. 2 FeV) gefordert und für sofort vollziehbar erklärt werden.
Vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen sind auch Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit, der Behörden des Ausstellerstaates hinsichtlich des Melderegisters sowie Erkenntnisse der Ausländerbehörden im Ausstellerstaat. Auch Informationen von anderen Mitgliedstaaten dürfen eingeholt werden. Die vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen stellen den Rahmen dar, innerhalb dessen die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates alle Umstände eines anhängigen Verfahrens, auch die inländischen Umstände, berücksichtigen dürfen. Dabei kann sich die Reichweite der Ermittlungen auch an der Mitwirkung des Führerscheininhabers ausrichten. Es reicht aus, wenn diese Informationen darauf hinweisen, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen. Das ist etwa der Fall, wenn unter derselben Adresse weitere 47 deutsche Staatsbürger gemeldet sind. Die Auskunft der Behörden des Ausstellerstaates auf einen Aufenthalt von 185 Tagen mit "unknown" oder "unbekannt" deutet auf einen lediglich fiktiven Wohnsitz hin.
Die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates sind zu entsprechenden Aufklärungen berechtigt, aber auch verpflichtet. Das darf aber nicht "ins Blaue hinein" erfolgen, sondern hängt mit Blick auf den gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz davon ab, dass ernstliche Zweifel an der Einhaltung dieses Prinzips bestehen. Solche ernstlichen Zweifel können sich ergeben:
▪ |
aus dem Bestehen von zwei Wohnsitzen (Aufenthalts- wie Ausstellerstaat), wenn die Adresse im Ausstellerstaat nicht richtig benannt werden konnte, |
▪ |
wenn der Ausstellerstaat erklärt hat, das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes nicht geprüft zu haben, |
▪ |
im Melderegister nur Aufenthaltszeiten vor und nach Ausstellung des Führerscheins ausgewiesen sind, |
▪ |
wenn ein Widerspruch zwischen dem Wohnsitzeindruck und der Wohnsitzangabe in den Führerscheinakten besteht. |