OWiG § 46; StPO § 464a § 464b; VV RVG Nr. 5109 5110
Leitsatz
Die Verfahrens- und Terminsgebühr des Verteidigers für das gerichtliche Verfahren ist auch dann erstattungsfähig, wenn der Betr. erst im Hauptverhandlungstermin vorbringt und belegt, dass er zur Tatzeit krankgeschrieben und daher nicht verantwortlich war. Die schweigende Verteidigung des Betr. macht die Tätigkeit des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren nicht nutz- oder zwecklos.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.5.2017 – 61 Qs 17/17
Sachverhalt
Gegen den Betr. war beim AG Ratingen ein Bußgeldverfahren anhängig. Das AG hat den Betr. durch Urt. v. 11.8.2016 freigesprochen und die notwendigen Auslagen des Betr. der Staatskasse auferlegt. Der Betr. hat – soweit hier von Interesse – im Kostenfestsetzungsverfahren auch die Gebühren für das gerichtliche Verfahren (Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG und Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG) geltend gemacht. Der Rechtspfleger des AG Ratingen hat deren Festsetzung mit der Begründung abgelehnt, dass die Verteidigung des Betr. nutz- oder zwecklos gewesen sei. Dessen Verteidigerin habe nämlich erst im Hauptverhandlungstermin geltend gemacht und belegt, dass der Betr. zur Tatzeit krank geschrieben war und deshalb nicht verantwortlich gewesen sei. Die sofortige Beschwerde des Betr. hatte insoweit Erfolg, als das LG Düsseldorf von der Erstattungsfähigkeit der vorgenannten Gebühren dem Grunde nach ausgegangen ist.
2 Aus den Gründen:
" … 3. Verfahrens- und Terminsgebühr – Verfahren vor dem AG(Nr. 5109, 5110 VV RVG)"
a) Die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG und die Terminsgebühr sind – wie auch durch das AG festgestellt – entstanden durch die anwaltliche Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren vor dem AG bzw. die Wahrnehmung des Termins v. 11.8.2016. Übereinstimmend mit der angefochtenen Entscheidung, auf deren Begründung insoweit Bezug genommen wird, ist die Kammer der Ansicht, dass angesichts der insg. eher einfachen Sach- und Rechtslage, der eher geringen Bedeutung der Sache und des geringen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren bzw. der sehr kurzen Dauer des Termins v. 11.8.2016 die Verfahrensgebühr i.H.v. 60 EUR und die Terminsgebühr nur i.H.v. 90 EUR entstanden ist.
b) Die Verfahrens- und Terminsgebühren sind dem Betr. auch in der zur Vorziffer bezeichneten Höhe aus der Staatskasse zu erstatten und somit festzusetzen, da es sich dabei um notwendige Auslagen i.S.d. § 464a StPO handelt.
Zwar wird in der Rspr. vertreten, dass Gebühren für eine “zwecklose' oder “offensichtlich nutzlose und völlig überflüssige' Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig sind (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 22.11.1990 – 2 Ws 58/90; OLG Düsseldorf RVGreport 2013, 232 (Burhoff) = Rpfleger 2012, 463). Vorliegend war jedoch die Vorbereitung des Termins v. 11.8.2016 und die Teilnahme an diesem durch die Verteidigerin nicht nutz- oder zwecklos. Sie war vielmehr zur sachgerechten Wahrnehmung der Rechte des Betr. geeignet. Auch die Tatsache, dass seitens des Betr. erst im Hauptverhandlungstermin vorgebracht und belegt wurde, dass dieser zur Tatzeit krankgeschrieben und daher nicht verantwortlich war, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Entscheidung, ob und ggf. wann ein Betr. sich einlässt, obliegt diesem – ggf. beraten durch seinen Verteidiger – selbst. Dass sich der Betr. vorliegend zunächst dazu entschied, sich schweigend zu verteidigen – möglicherweise um durch eine wahrheitsgemäße Aussage nicht seinen Sohn zu belasten und in der Hoffnung, dass einer Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG erfolgen würde – und dass die Behörde das gegen ihn anhängige Bußgeldverfahren anderenfalls möglicherweise bereits gem. § 46 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hätte, macht die Tätigkeit der Verteidigerin im gerichtlichen Verfahren nicht nutz- oder zwecklos. Auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenminderungspflicht war der Betr. vorliegend nicht gehalten, sich so frühzeitig wie möglich wahrheitsgemäß – und unter Belastung seines Sohnes – einzulassen. …
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 1, StPO.“
3 Anmerkung:
Gem. § 46 OwiG i.V.m. § 464 Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Aufgrund dieser Bezugnahme auf § 91 Abs. 2 ZPO ist die Erstattungsfähigkeit der Vergütung eines Wahlverteidigers auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen beschränkt, gleichzeitig aber auch gewährleistet. Diese grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der gesetzlichen Vergütung des Wahlverteidigers kann nicht, wie es das AG Ratingen getan hat, dadurch beschränkt werden, dass man einzelne Maßnahmen des Verteidigers nachträglich als "nutz- oder zwecklos" ansieht. Im Übrigen stellt sich die Frage, warum hier die Verteidigung des Betr. "nutz- oder zwecklos" gewesen sein soll. Die Verteidigungsstrategie des Betr. hat doch Erfolg gehabt und zum Freispruch geführt!
Deshalb ist der Betr. – Gleiches gilt im Strafverfahren für den Angekl. – in seiner E...