Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung. Rahmengebühr. Unbilligkeit
Leitsatz (amtlich)
1. In Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist der Ansatz der sog. Mittelgebühr als Ausgangspunkt grundsätzlich gerechtfertigt; hiervon ausgehend sind in jedem Einzelfall die besonderen Umstände zu würdigen.
2. Die Bestimmung der Rahmengebühr § 14 RVG ist zunächst dem Rechtsanwalt vorbehalten; sie ist nur dann nicht verbindlich, wenn sie nach Ansicht des zahlungspflichtigen Dritten unbillig ist, also sie um mehr als 20 % über der vom erstattungspflichtigen Dritten als angemessen angesehenen Höhe der Gebühr liegt.
Normenkette
RVG § 14
Verfahrensgang
AG Menden (Sauerland) (Entscheidung vom 30.01.2012; Aktenzeichen 8 OWi 120/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Rechtspflegerin - Menden vom 30.01.2012 dahingehend abgeändert, dass die aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen um einen Betrag von 113,05 Euro erhöht und auf insgesamt 616,90 Euro festgesetzt werden.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, jedoch wird die Gerichtsgebühr auf 2/3 ermäßigt. Von den notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren hat die Staatskasse dem Betroffenen 1/3 zu erstatten.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 323,68 Euro
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid des Landrates des N. Kreises vom 03.08.2010 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 100,- Euro sowie die Eintragung eines Punktes im Verkehrszentralregister (kurz: VZR) festgesetzt. Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, als Führer eines Kraftfahrzeuges verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon benutzt zu haben. Nach Auskunft aus dem VZR waren zum damaligen Zeitpunkt dort insgesamt 10 Punkte registriert. Nach zulässigem Einspruch des anwaltlich vertretenen Betroffenen wurde dieser am 11.11.2011 durch das Amtsgericht Menden nach Zeugenvernehmung einer Polizeibeamtin freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt.
Aufgrund der Kostenentscheidung des Amtsgerichts reichte die Verteidigerin eine Kostennote über 827,53 Euro ein. Darin enthalten waren eine Grundgebühr gem. Nr. 5100 VV RVG in Höhe von 85,- Euro, eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV in Höhe von 135,- Euro, eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 5109 VV in Höhe von 135,- Euro sowie eine Terminsgebühr gem. Nr. 5110 VV in Höhe von 215 Euro. Hinzu kamen ein Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG über 20,- Euro, Kfz-Benutzungskosten für 178 km Hin- und Rückweg zu je 0,30 Euro, insgesamt 53,40 Euro auf Grundlage von Nr. 7003 VV RVG sowie eine Pauschale für Post und Telekommmunikation nach Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 40,- Euro nebst Auslagen in Höhe von 12,- Euro und die gesetzliche Umsatzsteuer.
Nach einer Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht vom 06.12.2011 nebst Ergänzung vom 11.11.2012 und einer ergänzenden Stellungnahme der Verteidigerin setzte das Amtsgericht Menden durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.01.2012 die dem Betroffenen zu ersetzenden Auslagen auf 503,85 Euro fest, und zwar unter Verweis auf die Stellungnahmen des Bezirksrevisors Gebühren des Anwalts in Höhe von 60,- Euro (Nr. 5100 VV) , 2 x 80,- Euro (Nr. 5103 VV und Nr. 5109 VV) und 140,- Euro (Nr. 5110 VV) sowie sämtliche angemeldeten Kosten, jedoch bei Ansatz lediglich von Fahrtkosten i.H.v. 11,40 Euro sowie einer Kommunikationspauschale von 20,- Euro zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Gegen den am 08.02.2012 zugestellten Beschluss ist am 15.02.2012 sofortige Beschwerde eingelegt worden. Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - Menden hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 464 b, 304 Abs. 3, 311 StPO, 104 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG, 46 OWiG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
Mit Inkrafttreten des RVG hat das Bußgeldverfahren in §§ 42, 43 RVG eine eigenständige Regelung erhalten, und zwar im Zusammenhang mit dem Vergütungsverzeichnis, Nr. 5100 bis 5200 VV RVG. Die jeweils festzusetzende Gebühr ist eine Rahmengebühr, die nach § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Sache sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Diese Bestimmung ist zunächst dem Rechtsanwalt/Verteidiger vorbehalten; sie ist nur dann nicht verbindlich, wenn sie nach Ansicht des zahlungspflichten Dritten unbillig ist, § 14 Abs. 1 S. 4 RVG. Zahlungspflichtiger Dritte ist im vorliegenden Fall die Landeskasse, die in Person des Bezirksrevisors am Kostenfestsetzungsverfahren zu beteiligen ist. Unbilligkeit liegt nach wohl unstreitiger Ansicht dann vor, wenn die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr um mehr als 20 % über der vom erstattungspflichten Dritten als angemessen angesehenen Höhe der Gebühr liegt (vgl. Kotz NStZ-RR 2012, 134 m.w.N.).