“ … I. Die Berufung der Kl. ist zulässig. Prinzipiell ist eine Berufung mit einem Sachantrag, der – wie hier – nur auf die Aufhebung und Zurückverweisung gerichtet ist, mangels eines auf Abänderung des Urt. gerichteten Antrags zwar unzulässig (Zöller-Heßler, 29. Aufl., § 520 Rn 28). Allerdings enthält der Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung i.d.R. konkludent auch den in der ersten Instanz gestellten Sachantrag (vgl. Zöller-Heßler, a.a.O., § 538 Rn 56 m.w.N.). Das ist auch hier der Fall. Die Kl. erstreben eine Zurückverweisung ersichtlich nicht um ihrer selbst willen, sondern um ihr bisheriges Sachbegehren weiterzuverfolgen. In einem solchen Fall schadet es nicht, wenn ein ausdrücklicher Sachantrag unterbleibt (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1154, 1154).

II. Auch in der Sache hat die Berufung der Kl. Erfolg. Auf ihren Antrag war das Verfahren an das LG O zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Eine eigene Entscheidung des Senats nach § 538 Abs. 1 ZPO wäre vorliegend nicht sachdienlich gewesen. Das wäre mit dem Verlust einer Tatsacheninstanz verbunden; das Interesse der Parteien an einer schnelleren Erledigung überwiegt demgegenüber nicht.

Das LG O ist örtlich zuständig. Das ergibt sich aus § 215 Abs. 1 VVG analog i.V.m. den §§ 12 ff., 35 ZPO. Die Kl. haben von dem ihnen zustehenden Wahlrecht, am Wohnsitz des Kl. zu 1) Klage gegen die Bekl. zu erheben, wirksam Gebrauch gemacht.

1) Zwar ist dem LG im Ausgangspunkt darin zu folgen, dass die Kl. nicht VN, sondern nur versicherte Personen in der vorliegenden Reiserücktrittskostenversicherung sind. Anhand der Erläuterungen im Glossar der hier vorliegenden AVB wird für den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Kunden hinreichend deutlich, dass er nicht “VN’, sondern lediglich “versicherte Person’ ist. Dort ist unter Buchstabe “V’ als “VN’ derjenige bestimmt, der mit der Bekl. einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, wohingegen als “versicherte Personen’ die im Versicherungsschein oder Zahlungsbeleg namentlich genannten Personen oder der im Versicherungsschein beschriebene Personenkreis definiert sind.

2) Allerdings ist auch versicherten Personen, die Verbraucher sind, die Möglichkeit eröffnet, an ihrem eigenen Wohnsitz Klage zu erheben.

a) Auf den Rechtsstreit findet das VVG in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung Anwendung, da der vorliegende Versicherungsvertrag erst danach geschlossen worden ist.

b) Nach dem klaren Wortlaut des § 215 Abs. 1 VVG erstreckt sich das Wahlrecht zwar nicht auf die versicherte Person. Allerdings findet die Vorschrift auf versicherte Personen entsprechende Anwendung. Das gilt zumindest dann, wenn es sich dabei – wie im vorliegenden Fall – um Verbraucher i.S.d. § 13 BGB handelt.

aa) Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGHZ 105, 140, 143; NJW 2003, 1932, 1933; NJW 2007, 992, 993). Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss “planwidrig’ sein. Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen; es ist zu fragen, ob das Gesetz – gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht – planwidrig unvollständig ist (BGHZ 149, 165, 174; NJW 2007, 992, 993).

bb) Diese Voraussetzungen liegen vor. § 215 Abs. 1 VVG weist eine planwidrige Regelungslücke auf, weil danach Verbraucher, die nicht VN, sondern versicherte Personen sind, nicht befugt sind, an ihrem Wohnsitz Klage gegen den VR zu erheben.

(1) Die Frage, ob § 215 Abs. 1 VVG auch für andere am Versicherungsvertrag beteiligte Personen als dem VN einen Gerichtsstand für Klagen gegen den VR an ihrem eigenen Wohnsitz begründet, ist umstritten.

Teilweise wird dies jedenfalls für natürliche Personen befürwortet (so Klimke, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 215 VVG Rn 18 f.; Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG-Komm., 3. Aufl., § 215 Rn 3: Marlow/Spuhl, VVG-Handbuch, 4. Aufl., Rn 1486; tendenziell befürwortend, aber im Ergebnis offenlassend: Franz, VersR 2008, 307, 311). Das wird mit der im Wesentlichen gleichen Interessenlage begründet und der im Verhältnis zum VR ebenfalls typischerweise vorhandenen Unterlegenheit der versicherten Person.

Gegenstimmen lehnen dies indes ab. Teilweise wird dabei die Auffassung vertreten, dass § 215 Abs. 1 VVG auf sonstige an dem Versicherungsvertrag Beteiligte grds. nicht anzuwenden sei (so LG Limburg, Beschl. vom 17.11.2011, Az. 4 O 280/11 b. juris m.w.N; LG Halle NJW-RR 2011, 114). Teilweise wird zwar eine Anwendbarkeit auch auf versicherte Personen befürwortet, allerdings nur insoweit, als diese eine Klage am Wohnsitz des “VN’ erheben könnten (LG Cottbus BecksRS 2011, 27578; Looschelders, in: MüKo-VVG,...

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