Leitsatz (amtlich)
Bei einer Fremdversicherung ist in entsprechender Anwendung von § 215 Abs. 1 S. 1 VVG für Klagen des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherte seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 28.09.2011; Aktenzeichen 9 O 1854/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.9.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Osnabrück aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG Osnabrück zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung von Leistungen aus einer zwischen der T. GmbH mit Sitz in. M. (im Folgenden T. genannt) und der Beklagten abgeschlossenen Gruppen-Reiserücktrittskostenversicherung. Die Kläger buchten am 8.12.2009 bei der T. eine Namibia-Reise für den Reisezeitraum 20.04. bis 27.4.2010 zum Preis von zusammen 13.080 EUR. Das ausgefüllte und unterschriebene Buchungsformular enthält den Hinweis auf eine - so wörtlich - "für jeden Teilnehmer abgeschlossene Reiserücktrittskosten-Versicherung". In den bei Vertragsabschluss vorliegenden "Versicherungsbedingungen für Reiseversicherungen" der Beklagten (VB-ERV 2007), deren Geltung und wirksame Einbeziehung in den vorliegenden Reisevertrag zwischen den Parteien nicht im Streit steht, heißt es unter Art. 10.1, dass Gerichtsstand für Klagen gegen die Beklagte München oder der Wohnsitz des Versicherungsnehmers in Deutschland ist. Ergänzend wird hierzu auf Bl. 57 ff. Bezug genommen. Im Zeitpunkt der Einleitung des Rechtsstreits war die Klägerin zu 2.) in Lengerich und damit außerhalb des Bezirks des LG Osnabrück gemeldet. Die Kläger stornierten die Reise einen Tag vor deren Beginn wegen einer vermeintlichen plötzlichen Erkrankung der Klägerin zu 2) und erhielten daraufhin 1.790 EUR von der T. erstattet. Den Restbetrag i.H.v. 10.635 EUR haben sie als Stornierungskosten gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Diese lehnte eine Erstattung u.a. mit der Begründung ab, der Versicherungsfall sei nicht eingetreten.
Die Kläger sind der Auffassung gewesen, dass das LG Osnabrück für die Klage örtlich zuständig sei. Aus dem vorliegenden Buchungsformular und den Versicherungsbedingungen ergebe sich nicht, dass sie, die Kläger, nicht "Versicherungsnehmer" geworden seien. Sofern sie versicherte Personen wären, dürften sie in analoger Anwendung des § 215 VVG an ihrem Wohnsitz Klage gegen die Beklagte erheben. Beide - sowohl der Kläger als auch die Klägerin - hätten schon lange vor der Klageeinreichung überwiegend eine gemeinsame Wohnung in Melle - also im Landgerichtsbezirk Osnabrück - bewohnt.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie
1) 10.635 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.7.2010 zu zahlen;
2) außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.8.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass das angerufene LG örtlich unzuständig sei. Allenfalls sei das für die T. zuständige LG Konstanz zuständig. Der Klageanspruch sei auch inhaltlich nicht berechtigt.
Das LG hat die Klage im Wege des Prozessurteils als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich weder aus den vorliegenden Versicherungsbedingungen noch aus § 215 VVG dessen örtliche Zuständigkeit ergebe. In beiden Fällen komme es auf den Wohnsitz des "Versicherungsnehmers" an. Die Kläger seien jedoch nur "versicherte Personen". Für eine analoge Anwendung der Regelung des § 215 VVG auf versicherte Personen bestehe aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts keine Veranlassung. Im Übrigen habe die Klägerin zu 2.) ihren Wohnsitz auch nicht im Landgerichtsbezirk Osnabrück.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie weiterhin die örtliche Zuständigkeit des LG Osnabrück geltend machen. Sie beanstanden, dass das LG Osnabrück seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint habe. Diese ergebe sich aus § 215 Abs. 1 VVG, der nicht allein auf das Verhältnis des Versicherers zum Versicherungsnehmer Anwendung finde, sondern auch Klagen von versicherten Personen erfasse. Deren Interessenlage sei bezogen auf eine wohnortnahe Klagemöglichkeit mit derjenigen eines Versicherungsnehmers vergleichbar. Die Vorschrift weise eine planwidrige Regelungslücke auf.
Die Kläger beantragen, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LG Osnabrück zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen zur örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts.
B.I. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Prinzipiell ist eine Berufung mit einem Sachantrag, der - wie hi...