Vgl. auch die folgende Entscheidung des BGH v. 28.2.2012 – VI ZR 9/11 sowie die Entscheidung des BGH v. 15.3.2011 – VI ZR 162/10 (zfs 2011, 438)
Soweit der BGH für den Verjährungsbeginn hinsichtlich der Regressforderung des Sozialversicherungsträgers zugrunde legt, es komme ausschließlich auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der für Regress zuständigen Organisationseinheit an, sind "Auflockerungstendenzen" nicht erkennbar. Die für den außerdeliktischen Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns entwickelten Grundsätze der Wissenzurechnung sind nicht auf die Konstellation des Kenntnisstands bezüglich der Regressmöglichkeit übertragbar, da sie auf den Grundsatz des Schutzes des Rechtsverkehrs abstellen.
Dagegen ist mit den Ausführungen der Entscheidung des BGH v. 17.4.2012 (ab Rn 17 f.) eine Tendenz zu der Annahme grober Fahrlässigkeit über die bisher anerkannten Fallgruppen hinaus erkennbar. Die nachlässige Praxis der Regressabteilung, behördenintern in geeigneter Weise zu sichern, dass sie frühzeitig von möglichen Regressfällen Kenntnis erlangt, ein Mitarbeiter der Regressabteilung bei mit Händen zu greifender Regressmöglichkeit keine Initiativen entfaltet, werden als denkbare Fallgruppen einer grob fahrlässigen Unkenntnis angesehen. Ergänzt wird diese Begründungsmöglichkeit dadurch, dass dem Regressschuldner nur eine geringe Darlegungslast bezüglich der für die Verjährung sprechenden tatsächlichen Umstände auferlegt wird, vielmehr die bezüglich dieser Umstände kenntnisreichere Trägerin der Sozialversicherung nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast vorzutragen hat. Bei dieser neu gefundenen Begründung für die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis hätte sich schon die Entscheidung v. 15.3.2011 (zfs 2011, 438 f.) nicht halten lassen. Damals waren die Beschäftigten der Leistungsabteilung und der Regressabteilung personenidentisch, sodass die schließlich in der Entscheidung v. 17.4.2012 maßgeblichen Anhaltspunkte für eine Initiative der Regressabteilung sich geradezu aufdrängten. Die seitherige Praxis des BGH, die davon ausging, mit der Gesetzesänderung in § 199 BGB sei lediglich eine Integrierung der praktischen Ergebnisse in § 852 BGB a.F. bezweckt gewesen (Urt. des III. Zivilsenates v. 20.10.1011, Rn 21; BGH, Urt. v. 28.2.2012 – VI ZR 9/11 Rn 12) wird damit aufgegeben. Die neue Bestimmung des § 199 BGB über den Verjährungsbeginn muss mehr als eine Kodifikation bereits in der Rspr. entwickelter Annahmen zum Verjährungsbeginn enthalten, insb. erhöhte Anforderungen an den Informationsfluss zwischen Leistungs- und Regressabteilung begründen (vgl. auch Diehl, zfs 2011, 440 f.).
RiOLG a.D. Heinz Diehl