"Aufgrund der gem. §§ 147 Abs. 1 und 146 Abs. 4 S. 1 bis 3 VwGO form- und fristgerecht am 18.12.2014 eingelegten und mit Schriftsatz v. 5.1.2015 ebenfalls form- und fristgerecht begründeten Beschwerde der ASt. ist der Beschluss des VG Gießen v. 28.11.2014 – 6 L 2566/14.Gl – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung abzuändern. Die aufschiebende Wirkung der Klage der ASt. gegen den Bescheid des AG v. 29.8.2014, mit dem der ASt. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuchs für das Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie für eventuelle Ersatzfahrzeuge für die Dauer von zwölf Monaten aufgegeben wurde, ist wiederherzustellen. An der Rechtsmäßigkeit dieser Fahrtenbuchauflage bestehen gegenwärtig gewichtige Zweifel mit der Folge, dass dem Interesse der ASt. zukünftig von dieser verkehrsrechtlichen Maßnahme verschont zu bleiben, Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse einzuräumen ist."

Nach § 31a Abs. 1 StVZO kann die Straßenverkehrsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dies ist nach der st. Rspr. des BVerwG und des beschließenden Senats dann der Fall, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter eines Verkehrsverstoßes zu ermitteln, obwohl sie allen angemessenen Maßnahmen hierzu ergriffen hat (st. Rspr. des BVerwG, vgl. z.B.: Beschl. v. 23.12.1966 – 11 B 84.96, juris; Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 HessVGH, Beschl. v. 8.4.2014 – 2 B 371/14, m.w.N.). Dies ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls hier zweifelhaft.

Nachdem die ASt. vom Regierungspräsidium Kassel als zuständiger Ordnungswidrigkeitenbehörde einen Zeugenfragebogen v. 30.4.2014 zu der am 22.4.2014 mit einem auf sie zugelassenen Kfz begangenen Verkehrsverstoß erhalten hatte, hat sie durch einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt unverzüglich Einsichtnahme in die einschlägigen Ermittlungsakten beantragen lassen. In diesem Schreiben ihres Bevollmächtigten v. 6.5.2014 wird mit der Begründung, das ihr – der ASt. – übersandte Geschwindigkeitsmessfoto versetze sie nicht in die Lage, “ … zum Fahrzeugführer Stellung zu nehmen‘, um die Übersendung eines Lichtbildes von ausreichender Qualität gebeten und zusätzlich erklärt:

“Eine Stellungnahme wird auf jeden Fall erfolgen, sie wird hiermit ausdrücklich angekündigt.

Bitte informieren Sie die ermittelnden Polizeibeamten schon jetzt, dass die Mandantin auch bei Ermittlungen gegen sie vor Ort keine Unterschriften leisten wird oder gar Zeugenerklärungen abgeben wird. Dies steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften. Wir haben dies ihr auch so geraten.‘

Aufgrund dieser eindeutigen Stellungnahme des Bevollmächtigten der ASt. ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Ordnungswidrigkeitenbehörde anschließend die Polizeibehörden um Ermittlungen der “ … für die Tag verantwortlichen Person … ‘ gebeten hat (vgl. Ermittlungsersuchen v. 7.5.2014, … ).

Auch wenn ein Recht auf Akteneinsicht für Zeugen grds. nicht besteht (vgl. hierzu: HessVGH, Beschl. v. 5.3.2008 – 2 TG 2478/07, m.w.N.), sind hinreichende Gründe, die einer Einsichtnahme in die hier nicht sehr umfangreichen Akten durch den Bevollmächtigten der ASt. nach den Umständen des Einzelfalles entgegengestanden haben könnten, nicht erkennbar, zumal die Ermittlungsakten in elektronischer Form zur Verfügung standen, wie sich aus dem Schreiben der Ordnungswidrigkeitenbehörde an den Bevollmächtigten der ASt. v. 10.7.2014 ergibt. Die vom Bevollmächtigten der ASt. beantragte Akteneinsicht war vielmehr als eine mögliche und zudem aufgrund der Ankündigung des Bevollmächtigten in seinem Schreiben v. 6.5.2014 auch ohne größeren Aufwand zumutbare und angemessene Aufklärungsmaßnahme zur Feststellung des verantwortlichen Kraftfahrzeugführers. Allein der Umstand, dass die ASt. den ihr zugesandten Zeugenfragebogen nicht zurückgesandt, sondern zunächst eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakten beantragt hat, ließ noch nicht den Schluss zu, sie lehne jegliche Mithilfe bei der Aufklärung des Sachverhalts ab. Vielmehr blieb nach der mit der beantragten Akteneinsicht verbundenen Ankündigung einer abschließenden Stellungnahme die Frage einer solchen Mitwirkung zunächst noch offen (vgl. hierzu: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 1.10.1992 – 10 S 2173/92 NZV 1993, 47 = VRS 84, 73 = VBIBW 1993, 65; HessVGH, Beschl. v. 5.3.2008 – 2 TG 2478/07). Die Möglichkeit dieser nach den Umständen des Einzelfalles hier angemessenen und zumutbar gewesenen Aufklärungsmaßnahme, die unter Bestimmung einer Äußerungsfrist ohne Schwierigkeiten und ohne zeitliche Verzögerung vor Ablauf der Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG i.V.m. § 33 Abs. 1 bis Abs. 3 OWiG) noch möglich gewesen wäre, hat das Regierungspräsidium Kassel hier ohne erkennbar zureichenden Grund zunächst nicht genutzt.

Die beantragte Akteneinsicht wurd...

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