BGB § 249 § 271a § 286; Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
Leitsatz
1. Ein in ausländischer Währung angegebener Schadensersatzbetrag bildet lediglich einen Berechnungsfaktor für die in Euro festzusetzende Anspruchshöhe.
2. Maßgeblich für die Umrechnung ist der Schadenstag.
3. Wird nach einem Verkehrsunfall der ausgeschriebene Schadensbetrag von dem im Ausland wohnenden Geschädigten in ausländischer Währung ausgeschrieben, ist der Wohnsitz des Gläubigers der Ort, an dem die Geldschuld geleistet werden muss.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Heidelberg, Urt. v. 9.9.2015 – 26 C 190/15
Sachverhalt
Bei einem Verkehrsunfall in Deutschland wurde der Lkw des in Polen wohnenden Kl. beschädigt. Der Kl. beauftragte in Polen einen Sachverständigen, der Reparaturkosten i.H.v. 11.500,95 PLN netto ermittelte. Hinzu kamen Gutachterkosten i.H.v. 2.388,60 PLN. Entsprechend dem am Unfalltag geltenden Umtauschkurs von PLN in EUR errechnete die Kl. daraus einen Zwischenbetrag von 3.594,23 EUR. Hierzu addierte die Kl. Vorhaltekosten und eine allgemeine Unkostenpauschale. Die Kl. errechnete die gesamte Forderung aus dem Verkehrsunfall mit 3.821,98 EUR. Der Prozessbevollmächtigte der Kl. forderte den Bekl. auf, den Gesamtbetrag bis zum 11.5.2015 auf sein Anderkonto zu überweisen. Die beklagte Haftpflichtversicherung überwies unter Zugrundelegung der an den Überweisungstagen geltenden Umtauschkursen einen Betrag von 3.619,90 auf das Anderkonto der Kl.
Mit der Klage macht die Kl. den Differenzbetrag zwischen den von den Parteien errechneten Beträgen geltend.
Das AG gab der Klage statt.
2 Aus den Gründen:
" … Die Kl. hat einen Anspruch gegen den Bekl. auf weiteren Schadensersatz i.H.v. 202,32 EUR aus § 7 Abs. 1 StVG sowie aus den §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG,"
a) Aus Art. 3 Nr. 1 lit. a EGBGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (“Rom II’) folgt die Anwendbarkeit von deutschem Deliktsrecht im vorliegenden Fall. Danach ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Staat indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Anzuknüpfen ist demnach an den Ort der Eigentumsverletzung. Der Ort, an dem bloße Folgenschäden (z.B. in Gestalt von Reparaturkosten) auftreten, ist unbeachtlich (Palandt/Thom, Art. 4 ROM-II-VO, Rn 6 f. m.w.N.). Der zwischen den Parteien unstreitige Eintritt der Eigentumsverletzung in Gestalt der Sachbeschädigungen am Lkw Mercedes Benz der Kl. am 10.4.2015 geschah in 69412 Eberbach, Deutschland.
b) Der Bekl. haftet dem Grunde nach unstreitig für die der Kl. aus dem Verkehrsunfall vom 10.4.2015 in 69412 Eberbach entstandenen Schäden aus § 7 Abs. 1 StVG sowie aus den §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 116 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien hat die Kl. einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den bei dem Bekl. versicherten Halter des gegnerischen Fahrzeugs aufgrund des Verkehrsunfalls vom 10.4.2015 in 60412 Eberbach aus § 7 Abs. 1 StVG sowie aus den §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Versicherungsfall ist eingetreten.
c) Der Bekl. haftet auch der Höhe nach voll für die der Kl. aus dem Verkehrsunfall vom 10.4.2015 in 69412 Eberbach entstandenen Schäden i.H.v. insgesamt 3.821,98 EUR.
aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Ersatzpflichtige zunächst den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Daneben besteht für den Gläubiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit, anstatt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Von dieser Möglichkeit hat die Kl. Gebrauch gemacht, indem sie die für die Reparatur und die zuvor angefallenen Kosten des Gutachters in Geld ersetzt haben möchte.
bb) Die aus dem Verkehrsunfall vom 10.4.2015 in 69412 Eberbach entstandenen Schäden sind laut unstreitigem Parteivorbringen zunächst die in EUR angegebenen Vorhaltekosten i.H.v. 197,75 EUR sowie die Unkostenpauschale für Post und Telekommunikation i.H.v. 30 EUR. Dazu zählen insb. aber auch die zunächst in polnischer Währung angegebenen Reparatur- und Gutachterkosten in der von der Kl. errechneten Höhe von 3.594,23 EUR. Dass letztlich in EUR zu zahlen war, stellen die Parteien nicht in Frage. Gesetzliche Ansprüche auf Schadensersatz lauten zwar nicht von vornherein auf eine bestimmte Währung; sie entstehen jedoch, soweit sie sich aus deutschem Recht ergeben, in inländischer Währung; ein in ausländischer Währung ermittelter Ersatzbetrag bildet lediglich einen Berechnungsfaktor für die in EUR festzusetzende Anspruchshöhe (Palandt, BGB, 74. Aufl., Rn 17 zu § 245). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Umtauschkurses von PLN in EUR ist entgegen der Ansicht des Bekl. nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung, ...