ZPO § 286; VVG § 28 Abs. 2; AKB A.2.3.2 2.3.3 2.7
Leitsatz
1. Mit dem Beweis der Zerkratzung des Lacks der Außenhaut eines Kfz ist der Beweis des Versicherungsfalls Unfall erbracht.
2. Ist dem VR vor seiner Regulierungsentscheidung bekannt, dass das versicherte Kfz geleast ist, schadet dem VN die Nichtbeantwortung einer entsprechenden Frage nicht mehr.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 2.3.2017 – 2 O 155/15
Sachverhalt
Der Kl. zeigte der Bekl. am 31.10.2014 einen (streitigen) Vandalismusschaden an. Die in der Schadenanzeige v. 16.11.2014 gestellte Frage, ob das Kfz geleast sei, beantwortete der Kl. ebenso wenig wie die Frage, ob der Fahrer mit dem VN identisch sei. Auf Nachfrage der Bekl., da das Kfz geleast sei, bitte er um eine Freigabeerklärung der finanzierenden Bank, schilderte der Kl., der Schaden sei von einem benannten Zeugen am 30.10.2014 entdeckt worden; zugleich legte er eine Freigabeerklärung der finanzierenden Bank vor. Der Bekl. verweigerte Leistungen, weil ein Versicherungsfall nicht bewiesen sei und der Kl. seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe.
2 Aus den Gründen:
" … Der Versicherungsfall ist eingetreten. Versichert sind nach A.2.3.2 AKB Unfälle des Fahrzeugs. Die in A.2.3.2 und A.2.3.3 AKB geregelten Versicherungsfälle “Unfall' und “Mut- oder böswillige Handlungen' schließen sich nicht aus, sondern überlagern sich teilweise. A.2.3.3 AKB ist keine Einschränkung von A.2.3.2 AKB sondern als zusätzliches versichertes Risiko formuliert. … Wird die Außenhaut eines Fahrzeugs beschädigt, was im vorliegenden Fall unstreitig ist, dann liegen in der Vollkaskoversicherung ohne Weiteres die Voraussetzungen des Versicherungsfalls “Unfall' vor, insb. bei Zerkratzung des Lacks. … Ein Unfall erfordert nämlich lediglich ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis auf das Fahrzeug. Unerheblich ist, ob sich der Versicherungsfall so ereignet haben kann, wie vom VN geschildert. Denn die Unfreiwilligkeit bzw. Zufälligkeit des Schadensereignisses gehört nicht zum Begriff des Unfalls i.S.d. AKB, da andernfalls die gegenläufige Regelung des § 81 VVG in der Schadensversicherung, um die es auch hier geht, zu Lasten des VN ausgehöhlt würde. …"
Der VR muss die Voraussetzungen des § 81 VVG vortragen und beweisen, mithin die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den VN, um leistungsfrei zu werden. Es kommt nicht darauf an, ob die Bekl. Umstände schlüssig vorgetragen hat, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des streitgegenständlichen Unfallschadens herleiten lässt, denn die Bekl. muss (das) voll beweisen, wenn der Versicherungsfall “Unfall' bewiesen ist. Der VN muss aus diesem Grund auch nicht den Nachweis erbringen, dass der Unfallschaden von Fremden verursacht worden ist.
Grds. entspricht nämlich die Beweisabsenkung zugunsten einer Partei des Versicherungsvertrags einer ähnlichen für die andere Partei. Dem VR kommen die Beweiserleichterungen zur Vortäuschung nur dann zu Gute, wenn dem VN beim Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls solche Beweiserleichterungen zustehen. Ist hingegen der Versicherungsfall voll bewiesen oder unstreitig, dann muss auch der VR den Vollbeweis für eine Herbeiführung durch den VN oder dessen Repräsentanten erbringen. Im Fall der Zerstörung oder Beschädigung eines Kfz bedarf es einer Beweisführung mittels des äußeren Bildes von vornherein nicht, weil das versicherte Objekt zur Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, besichtigt werden kann und im vorliegenden Fall auch besichtigt worden ist. …
Zu § 81 VVG hat die Bekl. keine hinreichenden Indiztatsachen vorgetragen. Die zur erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung vorgetragenen im Tatbestand im Einzelnen dargestellten Umstände reichen dafür nicht.
Die Bekl. ist auch nicht nach § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Die Bekl. hat schon nicht schlüssig vorgetragen, dass der Kl. Auskunftsobliegenheiten verletzt hat. Die Frage zum Leasing hat er zunächst nicht ausgefüllt und mit Schreiben v. 11.12.2014 dann vollständig und richtig beantwortet. Die Frage 9 “falls Fahrer mit VN (VN) nicht identisch' macht vorliegend keinen Sinn, weil kein Verkehrsunfall, sondern ein Vandalismusschaden Streitgegenstand ist. Zudem wurde der Ablauf mit Anwaltsschreiben v. 11.12.2014 dargestellt. Dass diese Darstellung der Wahrheit widerspricht, hat die Bekl. nicht vorgetragen.
Die Bekl. kann sich zudem nach § 28 Abs. 3 VVG nicht auf ihre Leistungsfreiheit wegen der Verletzung einer vertraglichen Auskunftsobliegenheit berufen, weil der Bekl. die Wahrheit vor dem Eintritt eines Feststellungsnachteils bekannt war. Es fehlt damit an der notwendigen konkreten Kausalität. … Dies gilt nur dann nicht, wenn dem VN Arglist zur Last fällt. Dafür sind keine Tatsachen ersichtlich oder vorgetragen.
Der Kl. kann nach A.2.7 AKB die erforderlichen Reparaturkosten, die sich nach dem nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des SV Dipl.-Ing. T2 auf netto 7.182,25 EUR belaufen, nicht in voller Höhe, sond...