1
Beim Blechschaden ist es völlig üblich, dass ein Unfallgeschädigter im Interesse der Beweissicherung und zur Ermittlung der Schadenhöhe das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen seines Vertrauens einholt. Liegen die konkreten Reparaturkosten über 750 bis 1.000 EUR, so werden die insoweit aufgewandten Kosten des Geschädigten durch die Rechtsprechung regelmäßig als erforderliche Kosten i.S.v. § 249 BGB angesehen mit der Folge, dass dem Geschädigten die diesbezüglichen Kosten erstattet werden. Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob nicht auch bei Personenschäden die Einholung entsprechender Gutachten geboten ist.
A. Ausgangslage
Bei mittleren und schweren Unfällen mit Personenschäden stehen dem Unfallgeschädigten regelmäßig Ansprüche auf Erwerbsschadensersatz, Ansprüche wegen entgangener Haushaltsführung, Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse und schließlich ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Obwohl dabei regelmäßig erhebliche Geldbeträge im Raum stehen, zeigt die Praxis, dass hier in außergerichtlichen Verfahren fälschlicherweise entsprechende Gutachten nur eine geringe Rolle spielen. Dies wird zum einen belegt durch die wenigen vorhandenen Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Erstattungsfähigkeit entsprechender Kosten beschäftigen, und zum anderen durch das Unverständnis des Versicherers, wenn entsprechende Kostenerstattungsansprüche geltend gemacht werden. Die vorliegenden Ausführungen sollen deutlich machen, dass auch in der Personenschadenregulierung der Einsatz von Sachverständigen nicht nur sachgerecht, sondern in Einzelfällen zwingend geboten ist und dass eine Erstattung der insoweit aufgewandten Beträge regelmäßig zu erfolgen hat.
Die aktuelle Situation in der außergerichtlichen Schadenregulierung stellt sich nach der Erfahrung des Verfassers aktuell so dar, dass der leistungspflichtige Versicherer von sich aus und auf eigene Kosten entsprechende Gutachten in Auftrag gibt. Dies sind regelmäßig medizinische Gutachten, mit denen Fragestellungen zu den unfallbedingten Verletzungen ebenso aufgeklärt werden sollen wie die Frage einer Dauer-MdE, die auf das Unfallgeschehen zurückzuführen ist. Bei dem Ausfall von Freiberuflern und Selbstständigen wird meistens ein Gutachten zur Ermittlung des Entgeltschadens in Auftrag gegeben. Diese von dem Versicherer in Auftrag gegebenen Gutachten werden viel zu häufig bei Sachverständigenbüros in Auftrag gegeben, mit denen der Versicherer einen regelmäßigen Kontakt pflegt. Den Geschädigten "beschleicht" gelegentlich das Gefühl, dass der Gutachtenersteller das Interesse des Versicherers jedenfalls nicht aus dem Blick verliert. Gemäß dem Grundsatz "wes Brot ich ess" ist ein solcher Verdacht nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen. Aus eben diesem Grunde beauftragt ein Unfallgeschädigter beim Sachschaden seines Kraftfahrzeuges regelmäßig einen Sachverständigen seines Vertrauens. Allein hierdurch wird sichergestellt, dass ihm sämtliche Schadenspositionen, insbesondere auch eine merkantile Wertminderung zufließen, so wie dies durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgegeben ist. Allein beim wirtschaftlich viel bedeutsameren mittleren und schweren Personenschaden wird von dieser logischen Vorgehensweise abgewichen. Dies völlig zu Unrecht und teilweise mit fatalen Ergebnissen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen werden.
B. Schmerzensgeld
Die überwiegend praktizierte außergerichtliche Schadenregulierung erfolgt beim Schmerzensgeldanspruch dergestalt, dass zur Vorbereitung der Bezifferung des sachgerechten Schmerzensgeldanspruchs i.d.R. durch den Versicherer – besser durch den Geschädigten selbst – bei den behandelnden Ärzten Arztberichte angefordert werden. Diese werden dann von dem Rechtsanwalt als Grundlage der außergerichtlichen Bezifferung verwandt. Diese Vorgehensweise führt jedenfalls zu Haftungsrisiken beim tätigen Rechtsanwalt, die u.a. auf der Rechtsprechung des BGH zur Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs beruhen. Nach der Rechtsprechung des BGH gebietet es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs, dass die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldanspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadenfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes bemessen wird. Wenn nun im Rahmen eines Prozesses nicht ausdrücklich nur ein Teilschmerzensgeld geltend gemacht wird, wird bei der Bemessung die künftige Entwicklung des Schadensbildes miteinbezogen. Dies bedeutet, dass sämtliche – auch zukünftige Entwicklungen – miteinbezogen werden, soweit diese objektiv absehbar sind.
Diese Einschätzung ist freilich für den Nichtmediziner nur schwer vorhersehbar. Schon aufgrund dessen ist die Einschaltung eines medizinischen Sachverständigen geboten, weil nur dieser Hinweise zu absehbaren weiteren Verschlec...