ZPO § 91; VV RVG Nr. 7003 ff.
Leitsatz
1. Hat der Prozessbevollmächtigte der auswärts wohnenden Partei den zum Verhandlungstermin gebuchten Flug nicht in Anspruch genommen, weil der Termin erst einen Tag vor dem angesetzten Verhandlungstermin aufgehoben wurde, sind die Terminsreisekosten gleichwohl erstattungsfähig.
2. Der Umstand, dass der Partei aufgrund der kurzfristigen Terminsaufhebung möglicherweise ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Amtspflichtverletzung des Gerichts zusteht, ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Ein möglicher Amtshaftungsanspruch ändert nämlich nichts an der Notwendigkeit der Kosten.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Potsdam, Beschl. v. 1.12.2016 – 12 T 53/16
Sachverhalt
Das AG hatte in dem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Der Prozessbevollmächtigte der Bekl. hat zur Wahrnehmung dieses Verhandlungstermins einen Flug gebucht. Kurz vor dem Verhandlungstermin hat der Kl. die Verweisung des Rechtsstreits beantragt. Daraufhin hat das AG den Verhandlungstermin einen Tag vor dem Terminstag wieder aufgehoben und ist in das schriftliche Verfahren übergegangen. Der Verlauf des vor dem AG geführten Rechtsstreits lässt sich den mitgeteilten Beschlussgründen nicht entnehmen. Aufgrund des Umstands, dass der Rechtspfleger des AG einen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Kl. erlassen hat, kann man lediglich folgern, dass das AG dem Kl. die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat.
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss v. 21.6.2016 hat der Rechtspfleger des AG Potsdam – soweit hier von Interesse – auch die Kosten für den vom Prozessbevollmächtigten der Bekl. nicht in Anspruch genommenen Flug i.H.v. 208,50 EUR festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Kl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die sofortige Beschwerde ist gem. § 11 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567 ZPO zulässig. Sie ist insb. form- und fristgerecht eingelegt worden."
Die sofortige Beschwerde hat aus den zutreffenden Gründen des Nichtabhilfebeschlusses des AG Potsdam v. 22.8.2016 aber keinen Erfolg. Das AG hat mit der angegriffenen Entscheidung zu Recht 208,50 EUR für den gebuchten Flug, der nicht in Anspruch genommen werden musste, festgesetzt. Da der Termin erst einen Tag vor dem beabsichtigten Termin aufgehoben wurde, war die Buchung des Fluges notwendig, um die angemessene Rechtsverfolgung der Bekl. zu gewährleisten. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers muss auch nicht ein eventuelles Amtshaftungsverfahren vor der Kostenfestsetzung abgewartet werden. Zunächst ändert die Möglichkeit ein Amtshaftungsverfahren durchzuführen nichts an der Notwendigkeit der Kosten i.S.d. § 91 ZPO. Darüberhinaus ist für eine Amtshaftung nichts erkennbar. Zur Zeit der Aufhebung des Termins war eine Pflicht des AG, den Termin aufzuheben und in das schriftliche Verfahren überzugehen noch nicht erkennbar. … Amtshaftungsansprüche sind daher nicht hinreichend nachvollziehbar vorgetragen.
Entgegen der Annahme des Kl. in der sofortigen Beschwerde ist der Betrag i.H.v. 208,50 EUR in der angegriffenen Kostenfestsetzung auch nicht zweimal enthalten. An Anwaltskosten sind in der Kostenfestsetzung für die Bekl. 220 EUR enthalten. … .Die Berechnung ist daher nicht zu beanstanden. … “
3 Anmerkung:
Der vom LG Potsdam mitgeteilte Sachverhalt ist sehr lückenhaft. Gleichwohl sind den Ausführungen des Gerichts zwei Probleme zu entnehmen, die für die Praxis erhebliche Bedeutung haben. Das erste betrifft die vielfach auftretende Frage, ob Terminsreisekosten des Rechtsanwalts auch dann erstattungsfähig sind, wenn sie wegen kurzfristiger Terminsaufhebung nutzlos aufgewandt wurden. Zum zweiten stellt sich die Frage, welchen Einfluss es auf das Kostenfestsetzungsverfahren hat, wenn die erstattungsberechtigte Partei möglicherweise einen Amtshaftungsanspruch gerade wegen der nutzlos aufgewandten Terminsreisekosten hat. Für beide hat das LG Potsdam trotz der Kürze seiner Ausführungen wohl sachgerechte Lösungen angeboten. Allerdings hat das LG damit zusammenhängende Probleme nicht erörtert.
I. Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten
1. Gesetzliche Grundlagen
Die Erstattungsfähigkeit der verfahrensgegenständlichen Flugreisekosten beurteilt sich hier nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts kraft Gesetzes erstattungsfähig sind. Hierzu gehören auch die in Nr. 7003 ff. VV RVG aufgeführten Terminsreisekosten. Reisekosten eines Rechtsanwalts, der – wie wohl hier der Prozessbevollmächtigte der Bekl. – nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und der am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, sind jedoch nur insoweit erstattungsfähig, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Hatte hier der Prozessbevollmächtigte der Bekl. seine Kanzlei am Wohnsitz oder Sitz der Mandanten, so sind die Terminsreisekosten nach st. Rspr. des BGH ohne Begrenzung auf ersparte Aufwendungen für einen Terminsvertreter in voller Höhe...