In diesem Beitrag soll insbesondere dargelegt werden, ob eine Person, die aus einer Fläche, die in § 10 StVO genannt wird, herausfährt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht, verwarnt werden kann oder ob dadurch ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 StVO eintritt. Die Rechtsfolge ist eine wesentlich andere.
Wie schon erläutert, gilt die Regelung aus § 8 StVO an Kreuzungen und Einmündungen. Dazu ist es notwendig festzuhalten, wann man von einer Kreuzung bzw. Einmündung spricht. Heß führt hierzu aus: "Eine Kreuzung liegt vor, wenn zwei oder mehr öffentliche Straßen sich schneiden, so dass sich jede von ihnen über den Schnittpunkt hinaus, unter Umständen seitlich versetzt (…), fortsetzt (…). Sie besteht nur aus der gemeinsamen Fläche der sich kreuzenden, durch ihre Fluchtlinien begrenzten Fahrbahnen, einschließlich anschließender Radwege, nicht aus weiteren Straßenteilen (…), wie z.B. Gehwegen (…)." Und: "Eine Einmündung liegt vor, wenn eine oder mehrere Straßen senkrecht oder schräg bis zu einer durchgehenden Straße hinführen, ohne sich jenseits fortzusetzen (…) oder wenn eine Straße sich in zwei auseinandergehende Wege teilt – Straßengabel – (…) in diesem Fall sind beide Äste Einmündungen, wenn nicht einer die natürliche Fortsetzung der durchgehenden Straße darstellt."
Wer nun an einer solchen Stelle das Verkehrszeichen "Vorfahrt gewähren" sieht, hat sich entsprechend § 8 Abs. 2 zu verhalten. Im Bußgeldkatalog wird dabei § 8 Abs. 2 StVO genannt. Kommt es auch zur Schädigung, ist § 1 Abs. 2 StVO tateinheitlich erfüllt. Ein Hinweis auf § 41 StVO erfolgt nicht. Diese Bestimmung verweist auf die Anlage 2, in der Zeichen 205 aufgeführt ist. Ein Verstoß gegen § 41 Abs. 1 StVO wird auch in § 49 StVO als Ordnungswidrigkeit angesehen. Im Bußgeldkatalog selbst ist ein Verstoß gegen Zeichen 205 nicht aufgeführt. Das erste Vorfahrtzeichen, das dort genannt ist, ist Zeichen 206, das Stoppschild, an dem man immer anhalten muss, auch wenn sonst kein Fahrzeugführer in der übergeordneten Straße zu erkennen ist. Zeichen 205, das die Vorfahrtgewährung behandelt, verlangt ein Anhalten nicht, wenn sonst kein Fahrzeugführer in der Nähe ist. Ein Verstoß gegen Zeichen 206 ist mit 10 EUR zu sanktionieren, Ziffer 136 BKatV.
Ein Verstoß gegen § 10 StVO ist mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden. Welche Verhaltensanforderungen werden dort genannt?
Unterschieden wird, wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will.
Ein Grundstück, eine Fußgängerzone und ein verkehrsberuhigter Bereich werden dabei zunächst einmal gleichgestellt. Hier geht es um die Fahrt auf die Straße. Sowohl eine Fußgängerzone als auch ein verkehrsberuhigter Bereich sind Straßenteile, bei einem Grundstück ist dies in der Regel nicht so. Dort fährt jemand aus einem privaten Bereich aus. Wer aus diesen Bereichen ausfährt, hat sich entsprechend § 10 StVO zu verhalten, welcher einen Gefährdungsausschluss verlangt. Es gibt Beispiele, bei denen man bei der Ausfahrt zunächst auf einen Gehweg oder Radweg fährt, bevor man die Fahrbahn erreicht. Dann ist auch der Verkehrsteilnehmer auf diesen Straßenteilen durch den Gefährdungsausschluss geschützt, somit zu Fuß Gehende oder auch Rad Fahrende auf ihren Sonderwegen. Die zweite Alternative des § 10 StVO stellt nun fest, wer von anderen Straßenteilen, somit z.B. einem Gehweg oder Radweg bzw. über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren will, muss einen Gefährdungsausschluss gewährleisten. Auf der Fahrbahn geht es in der Regel um Fahrzeugführer, die die Fahrbahn mit ihren Fahrzeugen zu benutzen haben (§ 2 Abs. 1 StVO). Nach Heß gibt es den Begriff Vorfahrt nur zwischen Fahrzeugen und diesen begrifflich gleichgestellten am Verkehr Teilnehmenden. So auch bei König, "(…) die Vorfahrtregelung gilt für das Verhältnis von Fahrzeugen zueinander und solchen Verkehrsteilnehmern, die Fahrzeugführern gleichgestellt sind (…).“"
Insgesamt kann somit festgestellt werden, dass § 10 StVO auch am Verkehr Teilnehmende schützt, die nicht mit einem Fahrzeug unterwegs sind; § 8 schützt zunächst die Fahrzeuge und ihre Fahrzeugführer.