Es mag vielleicht überraschen, in der zfs ein Editorial zu lesen, das sich mit einer Entscheidung des versicherungsrechtlichen Senats des BGH zur Lebensversicherung befasst. Die am 27.7.2018 verkündete Entscheidung zum Aktenzeichen 4 ZR 201/17 dürfte aber in der Praxis vieler Rechtsanwälte, auch derjenigen, die sich mit verkehrsrechtlichen Mandaten befassen, eine Rolle spielen, die unter Umständen nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.
Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob Versicherungsunternehmen berechtigt sind, den Versicherungsnehmer bei Beendigung des Vertrags an den Bewertungsreserven in geringerem Umfang zu beteiligten, als dies bei Abschluss des Versicherungsvertrags dem Kunden in Aussicht gestellt worden ist und deren Höhe das Unternehmen seinem Kunden noch kurz vor Ende der Vertragslaufzeit als voraussichtlichen Teil der Ablaufleistung mitgeteilt hatte.
Der BGH hat insoweit der Versichertengemeinschaft insgesamt den Vorrang gegeben: Sofern Bewertungsreserven benötigt werden, um allen Versicherungsnehmern den zugesagten Garantiezins bei Vertragsende auszahlen zu können, können Versicherungsnehmer mit älteren Verträgen nicht durch einen höheren Anteil an der Ausschüttung der Bewertungsreserven zu Lasten der Versichertengemeinschaft bevorzugt werden.
Die nachvollziehbare Entscheidung führt im Einzelfall unter Umständen zu Finanzierungslücken, die in der täglichen Beratungspraxis eines mit Verkehrssachen befassten Rechtsanwalts eine Rolle spielen können. Ob im entschiedenen Fall tatsächlich die Bewertungsreserven vom betroffenen Versicherungsunternehmen für die Garantiezinsen, die allen Versicherungsnehmern zustehen, benötigt werden oder im Einzelfall eine Ausschüttung an den betroffenen Verbraucher möglich ist, hat der BGH nicht entschieden, sondern den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurücküberwiesen, da insoweit in der Vorinstanz keine Feststellungen getroffen worden waren.
In der praktischen Beratungspraxis müssen Versicherungsnehmer darauf hingewiesen werden, dass z.B. bei der Finanzierung eines Familieneigenheims mit einem Kredit, der durch die Ablaufleistung einer Lebensversicherung getilgt werden soll, Deckungslücken entstehen können, die für Versicherungsnehmer im fortgeschrittenen Alter zu einem Problem werden können, wenn eine sich hierdurch ergebene Lücke nicht aus eigenen Mitteln des VN gedeckt werden kann, sondern durch eine Anschlussfinanzierung geschlossen werden soll. Regelmäßig werden die Banken wegen der Regelung zu Solvency II an Kunden im Rentenalter nur dann Kredite ausreichen, wenn deren regelmäßigen Einkünfte – das heißt im Regelfall Renteneinkünfte – ausreichen, um einen Kredit zu bedienen, ohne dass Lebensminimum zu gefährden.
Für manchen Versicherungsnehmer kann es daher zu Problemen bei der Rückführung von planmäßig zu tilgenden Darlehen kommen, weil der bei der Finanzierungsplanung kalkulierte Anteil an den Bewertungsreserven nicht zur Auszahlung gelangt.
Hierdurch können wirtschaftliche Notlagen entstehen, auf die in der anwaltlichen Beratungspraxis hingewiesen werden muss. Gegebenenfalls. kann durch rechtzeitigen Hinweis vor Eintritt des Leistungsfalls eine Nachfinanzierung bei laufend höheren Einkommen des Mandanten vor Eintritt des Rentenalters noch abgeschlossen werden.
Autor: Monika Maria Risch
RAin Monika Maria Risch, FAin für Versicherungsrecht, Berlin
zfs 8/2018, S. 421