ARB 2000 § 5 Abs. 1 1h
Leitsatz
Kosten für die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts sind auch dann zu erstatten, wenn sie allein auf der Grundlage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zugesprochen wurden.
AG Bergisch-Gladbach, Urt. v. 11.6.2012 – 62 C 518/11
Sachverhalt
Die Bekl. ist bei der Kl. rechtsschutzversichert. Die Kl. hat in dem von Herrn N gegen die Bekl. vor dem AG B geführten Rechtsstreit Kostenschutz übernommen. In dortigem Verfahren wurde die Bekl. durch Schlussurteil vom 22.4.2010 verurteilt, an den dortigen Kl. N vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden i.H.v. 359,50 EUR zu zahlen. Im Rahmen der Kostenfestsetzung überwies die Kl. an den damaligen gegnerischen Prozessbevollmächtigten versehentlich einen Betrag i.H.v. 981,60 EUR zu viel, den dieser an den Bevollmächtigten der Bekl. erstattete. Der Prozessbevollmächtigte der Bekl. brachte einen Betrag i.H.v. 359,50 EUR in Abzug, den er an die Bekl. weiterleitete, und überwies der Kl. lediglich 622,10 EUR. Die Kl. forderte die Bekl. außergerichtlich mehrfach erfolglos zur Rückzahlung des Betrages von 359,50 EUR auf. Die Bekl. hat außergerichtlich mit Schreiben v. 19.4.2011 die Aufrechnung mit einem Freistellungsanspruch gegenüber der Kl. die Aufrechnung erklärt. Die Kl. ist der Ansicht, die außergerichtlichen gegnerischen Kosten hätte sie nach den ARB nicht zu tragen, da es sich um materiell-rechtliche Schadenersatzansprüche der Gegenseite handele.
2 Aus den Gründen:
“ … Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kl. hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 359,50 EUR gegen die Bekl. Ein solcher Anspruch ergibt sich insb. nicht aus § 86 VVG i.V.m. § 17 Abs. 8 ARB 1994/2000.
Die Bekl. hat einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Kosten ihres damaligen Prozessgegners i.H.v. 359,50 EUR gegen die Kl., mit dem sie wirksam aufgerechnet hat, §§ 257, 389 BGB i.V.m. §§ 1, 5 Abs. 1h) ARB 2000 i.V.m. dem Rechtsschutzversicherungsvertrag.
Nach § 1 ARB 2000 sorgt der VR dafür, dass der VN seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann und trägt die zur Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten. Nach § 5 Abs. 1h) ARB 2000 trägt der VR die dem Gegner durch die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen entstandenen Kosten, soweit der VN zu deren Erstattung verpflichtet ist.
Nach st. Rspr. des BGH sind Versicherungsbedingungen – so auch die ARB – so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss, wobei auch auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen abzustellen ist. Beim Wortlaut, von dem der durchschnittliche VN bei der Auslegung einer Klausel zunächst und primär ausgeht, ist an sich vom Sprachgebrauch des täglichen Lebens auszugehen und es sind die Verständnismöglichkeiten des Durchschnittsmenschen zugrunde zu legen, auch wenn es sich um Begriffe handelt, die in der Fachsprache möglicherweise eine vom täglichen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung haben können. Neben dem Wortlaut und dem erkennbaren Sinnzusammenhang ist bei der Auslegung auch der mit der Klausel erkennbar verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Die einzelnen Klauseln sind dabei eng und nicht weiter auszulegen, als ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche VN braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (vgl. BGH r + s 2011, 334, 335 … ).
Ausgehend vom Wortlaut des § 5 Abs. 1h) ARB 2000 trägt der VR die dem Gegner durch die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen entstandenen Kosten, soweit der VN zu deren Erstattung verpflichtet ist. Eine Unterscheidung zwischen außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten des Gegners oder eine Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und prozessualen Kostenerstattungsansprüchen ist im Wortlaut der Klausel nicht angeIegt. Dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut der Klausel nach hat die Versicherung zunächst alle dem Gegner zu erstattenden Kosten zu tragen. Eine Zweckbestimmung ist in der Klausel selbst nicht angelegt.
Im Anschluss an eine Entscheidung des BGH (BGH NJW 1985, 1466 ff.) wird die Auffassung vertreten, in den vom Rechtsschutzversicherer übernommenen Risikobereich fielen nur solche Kosten, die “für’ die Interessenwahrnehmung des VN, also als deren kostenrechtliche Folge, entstehen. Rechtskosten, deren Erstattung der VN bereits aus materiell-rechtlichen Gründen schulde, z.B. – wie vorliegend – wegen Schuldnerverzugs (§§ 280 Abs. 2, 286, BGB) und die daher selbst Gegenstand der Interessenwahrnehmung seien, verblieben im Risikobereich des VN. Bei diesen nicht unter die Kostenpflicht des Rechtsschutzversicherers fallenden Kosten handele es sich in aller Regel um solche, die bereits vor Beginn der Rechtsverteidigung des VN als Folge pfli...