BB-BUZ § 1 § 2
Leitsatz
Hat ein VN seinen Ausbildungsberuf nach einer Kündigung gewechselt und war bis zu einem Unfall, der zur Berufsunfähigkeit in diesem Beruf geführt haben soll, eineinhalb Jahre in einem anderen Beruf tätig, so ist an diesen letzten Beruf auch dann anzuknüpfen, wenn der VN mit seiner Ausübung lediglich eine Zeit der Arbeitslosigkeit überbrücken wollte.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.1.2013 – 5 U 236/12
Sachverhalt
Der VN, der nach Abschluss seiner Ausbildung zum Stuckateur im Jahr 2005 bis April 2007 als Stuckateurgeselle arbeitete, dann aber wegen Arbeitsmangels gekündigt wurde, war von Mai 2007 bis Oktober 2008 als Maschinenbediener tätig. Dann erlitt er einen Motorradunfall mit Frakturen der BWS. Als Stuckateur kann er nicht mehr, als Maschinenbediener kann er weiter tätig sein. Sein BU-VR lehnt Leistungen ab.
2 Aus den Gründen:
" … Das LG hat dem Kl. Ansprüche aus der bei der Bekl. unterhaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu Recht versagt."
1. Sämtliche Klageanträge wären nur dann begründet, wenn der Kl. die Voraussetzungen der in § 2 BB-BUZ definierten Berufsunfähigkeit erfüllen würde. Das ist nicht der Fall.
a. Nach § 2 Nr. 1 BB-BUZ setzt eine Berufsunfähigkeit voraus, dass die versicherte Person voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen mindestens zu 50 % außer Stande ist, “ihren Beruf‘ oder eine in § 2 Nr. 1 BB-BUZ a.E. näher definierte Verweisungstätigkeit auszuüben.
Der Beruf in diesem Sinne ist ein dynamischer Begriff. Es kommt nicht auf ein allgemeines Berufsbild an oder auf die im Versicherungsantrag oder im Versicherungsschein eingetragene Berufsbezeichnung, sondern allein darauf, welchen Beruf der Versicherte zum Zeitpunkt des behaupteten Eintritts der Berufsunfähigkeit tatsächlich ausgeübt hat (siehe BGH VersR 1996, 830; VersR 1994, 587). Hat der VN vorher seinen Beruf gewechselt, etwa aus finanziellen Gründen, wegen besserer Arbeitsbedingungen oder weil der Arbeitsvertrag gekündigt oder einvernehmlich aufgehoben wurde, so ist grds. auf die neue Tätigkeit abzustellen. … Deshalb ist der Versicherte, wenn er nach dem Berufswechsel gesundheitliche Beeinträchtigungen erleidet, die ihn zwar an der Ausübung des früheren Berufs hindern würden, nicht aber des neu gewählten, nicht berufsunfähig (Langheid/Wandt/Dörner, VVG, 2011, § 172 Rn 66). Etwas anderes gilt – allerdings auch insoweit nur mit gewissen zeitlichen Grenzen (dazu VersRHdb/Rixecker, § 46 Rn 17) wenn der Berufswechsel Folge gesundheitlicher Beeinträchtigungen gewesen ist, die der VN nunmehr zur Begründung seiner versicherungsvertraglichen Ansprüche heranzieht, der Berufswechsel mithin nicht aus freien Stücken erfolgte, sondern leidensbedingt. … Auf die neue Tätigkeit ist auch dann nicht abzustellen, wenn sie die Lebensstellung des VR noch gar nicht zu beeinflussen begonnen hat (Römer/Langheid/Rixecker, VVG; § 172 Rn 7).
b. Das LG hat im Fall des Kl. zutreffend den Beruf des Maschinenbedieners für maßgeblich gehalten und in diesem Beruf – insoweit vom Kl. nicht angegriffen – eine Berufsunfähigkeit i.S.d. § 2 BB-BUZ verneint.
Dass die Berufsbezeichnung im Versicherungsantrag entgegen der Auffassung des Kl. nicht der maßgebliche Bezugspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist, wurde oben dargelegt. Mit Blick auf die gebotene dynamische Betrachtung muss im Fall des Kl. an den seit Mai 2007 ausgeübten Beruf des Maschinenbedieners angeknüpft werden. Seine Ausbildung als Stuckateur war im Jahr 2005 beendet gewesen. Er arbeitete als Stuckateur-Geselle bis einschließlich April 2007, mithin nach Abschluss der Ausbildung etwa zwei Jahre. Nach der Aufnahme der neuen Berufstätigkeit als Maschinenbediener verstrichen bis zu dem Unfall, durch welchen die verletzungsbedingten Beeinträchtigungen eingetreten sind, rund eineinhalb Jahre. Gesundheitliche Gründe für den Berufswechsel hatte es nicht gegeben, vielmehr erfolgte er – unter dem gesundheitlichen Aspekt betrachtet … – aus freien Stücken. Die Dauer der Tätigkeit als Maschinenbediener war nur unwesentlich kürzer als diejenige im aufgegebenen Beruf des Stuckateur-Gesellen. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, dass der neue Beruf die Fähigkeiten und die Lebensstellung des Kl. noch nicht beeinflusst hätte. …
Das Vorbringen des Kl., er habe die Zeit der Arbeitslosigkeit als Stuckateur nur überbrücken wollen und sich darum bemüht, eine erneute Anstellung in jenem Beruf zu finden, ändert daran nichts. Das Motiv für den Berufswechsel ist nur insoweit relevant, als ein Zusammenhang mit gesundheitlichen Gründen in Rede steht. Ist das – wie hier – nicht der Fall, ist nur zu fragen, ob die neue Tätigkeit eine die Lebensstellung prägende Wirkung entfaltet hat (in zeitlicher Hinsicht wird hier bisweilen eine Grenze von sechs Monaten genannt, siehe Voit/Neuhaus, 2. Aufl. 2009, E Rn 12; Langheid/Wandt/Dörner, § 172 Rn 67). Das war jedenfalls nach eineinhalb Jahren der ununterbrochenen Tätigkeit als Maschinenbediener unabhängig davon zu bejahen, ob der Kl. den Wunsch hatte, in seinen früheren Beruf zurückzukehren...