BGB § 307 § 278; AVB Reisekrankenversicherung Tarif VE § 4
Leitsatz
1. Eine Klausel, nach der die medizinische Notwendigkeit eines Krankenrücktransports von einer Auslandsreise vor Beginn des Krankenrücktransports durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden muss, ist unwirksam.
2. Eine Klausel, die lediglich eine Kostenerstattungspflicht für einen Krankenrücktransport aus dem Ausland vorsieht, ist unwirksam.
3. Ein vom VR mit der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit eines Krankenrücktransports aus dem Ausland beauftragter Rückholdienst ist Erfüllungsgehilfe des VR.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Stuttgart, Urt. v. 7.11.2013 – 7 U 3/13
Sachverhalt
Der VN unterhielt bei dem VR eine Reisekrankenversicherung für Auslandsaufenthalte, die den Krankenrücktransport nach Maßgabe der beanstandeten Klauseln einschloss. Am 25.3.2009 erlitt er auf den Philippinen einen schweren Motorradunfall, der eine sofortige Operation des linken Beines erforderlich machte. Unmittelbar nach der Operation verständigte er den VR, der einen Rückholdienst mit der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Repatriierung beauftragte. Der für diesen tätige Arzt hielt die medizinische Versorgung des VN auf den Philippinen bis zum 8.4.2009 für adäquat. Am 21.4.2009 flog der VN nach Deutschland zurück und wurde hier am 24.4.2009 erneut operiert. Er vertritt die Auffassung, verbliebene Dauerschäden seien auf den verspäteten Rückflug zurückzuführen.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Berufung des Kl. ist unbegründet."
Dem Kl. steht kein Schadensersatzanspruch i.H.v. 25.000 EUR und materieller Schadensersatz von 20.000 EUR gem. §§ 280 Abs. 1, 249 ff., 253 Abs. 2 BGB nebst gesetzlicher Zinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu.
1. Die Bekl. trifft als Krankenversicherer mit einer Komponente zur Auslandskrankenrücktransportversicherung die Pflicht, bei einem behaupteten Versicherungsfall (Erkrankung und Notwendigkeit der Heilbehandlung bzw. des Krankenrücktransports) die Notwendigkeit eines Krankenrücktransports vor Durchführung zu prüfen und die Krankenrücktransportkosten (hier: 100.000 EUR für einen Spezialtransport mit einem Flugzeug) vorzuschießen oder ersatzweise die Organisation selbst zu übernehmen (Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 192 Rn 78 ff., 82 … ).
Unter einem medizinisch notwendigen Krankenrücktransport ist eine erforderliche Behandlung im Zusammenhang mit dem Rücktransport zu verstehen, die nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen war (vgl. BGHZ 133, 208 ff. [Rn 16] … ).
a) Die von der Bekl. verwendeten AVB in Ziff. 4.1 und 4.4 des Tarifs VE (Anlage K 5) sind unwirksam, § 306 Abs. 1 BGB.
aa) Eine Klausel bei einer Auslandskrankenrücktransportversicherung, die den Versicherungsanspruch davon abhängig macht, dass der Transport oder dessen medizinische Notwendigkeit von einer ärztlichen Anordnung oder einem ärztlichen Attest vor Beginn des Rücktransports als ärztlichen Nachweis abhängig ist, verstößt gegen die Gebote von Treu und Glauben und benachteiligt einen VN unangemessen gem. §§ 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Die Bekl. geht davon aus, dass es einem Arzt, in dessen Behandlung der VN im Ausland gelangt, am besten möglich sein wird zu beurteilen, ob eine Weiterbehandlung an Ort und Stelle im Ausland erfolgen kann oder ob es aus medizinischen Gründen nötig ist, den Patienten zur weiteren Behandlung in sein Heimatland zurückzutransportieren. Zum einen kann es jedoch nicht auf die subjektive Sicht eines Arztes im Ausland ankommen, insb. in Dritte-Welt-Ländern o.Ä., und zum anderen ist nach der von der Bekl. vorgenommenen Auslegung ihrer Klausel davon auszugehen, dass sie dieser selbst zugrunde legt, berechtigt zu sein, im Nachhinein überprüfen zu lassen, ob die Beurteilung des Arztes im Ausland vertretbar gewesen ist oder nicht.
Eine solche Klausel ist mit wesentlichen Rechten oder Pflichten einer Auslandskrankenrücktransportversicherung nicht vereinbar, weil sie gem. § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB die Rechte eines VN so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist (Aushöhlung). Der Senat schließt sich insoweit hinsichtlich der Unwirksamkeit der Notwendigkeit einer schriftlichen ärztlichen Anordnung vor einem Krankenrücktransport der obergerichtlichen Rspr. an (OLG Saarbrücken VersR 2002, 837 f.). Die Bekl. als redlicher VR hätte ausreichend Anlass und Zeit gehabt, die seit 2002 für unwirksam erklärten Klauseln 7 Jahre später nicht mehr zu verwenden.
bb) Auch die Klausel in Ziff. 4.1 und 4.4 des Tarifs VE, wonach dem Kl. als VN auch für Fälle von schweren Erkrankungen und teuren Krankenrücktransportkosten lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung zusteht, ist unwirksam, § 306 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Die Bekl. als VR verstößt mit dieser einschränkenden Klausel in erheblichem Maße gegen den Zweck einer Transportversicherung für den Fall der Erkrankung im Ausland, weil der Vertragszweck durch Einschränkung auf die bloße – nachträglich...