Eine Entscheidung, die es in sich hat! Der Beschluss des OLG Koblenz ist unbedingt lesenswert und stellt für den Verteidiger ein dringendes Alarmsignal dar. Denn in dieser Entscheidung wird die schon vor kurzem sichtbare und auch in der zfs (zfs 2013, 470) aufgezeigte härtere Linie bei Geschwindigkeitsverstößen konsequent weiterverfolgt. Zum einen wird davon ausgegangen, dass ein sichtbares Verkehrsschild genügt (s.a. BGH NJW 1997, 3252), um von der Kenntnis des Betr. von einer Geschwindigkeitsbeschränkung auszugehen, zum anderen ermöglicht die sich aus der massiven Geschwindigkeitsüberschreitung ergebende Summe von Indizien den Rückschluss auf den Vorsatz. Damit wird eine doppelte Indizienbeweisführung zum Nachteil des Betr. ermöglicht, die den Verteidiger auf einmal in die unangenehme Position bringt, entlastende Umstände zugunsten des Betr. vorbringen zu müssen, anstelle vorher dem Gericht gemütlich dabei zuzusehen, wie es beim schweigenden Betr. versucht, neben der Geschwindigkeitsüberschreitung weitere Umstände zum Nachweis des Vorsatzes festzustellen. Wer zwischen den Zeilen liest, kann diese Tendenz auch schon der Entscheidung des OLG Dresden (SVR 2014, 111; s.a. jurisPR-VerkR 1/2014 Anm. 6) entnehmen. Damit ist auch klar, dass der Hinweis des Gerichts, sogar in der Rechtsbeschwerdeinstanz, dass eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tat droht, keine hohle Drohung mehr ist, sondern anhand der Kriterien des OLG Koblenz durchexerziert werden kann!
Aus der Sicht des Gerichts ist diese Entwicklung natürlich zu begrüßen, denn bisweilen muteten die Aufhebungen der Obergerichte zum (angeblich fehlerhaft) festgestellten Vorsatz schon abenteuerlich an, wenn man bedenkt, wie wenig Erkenntnisquellen dem Richter in erster Instanz zur Annahme von Vorsatz überhaupt zur Verfügung stehen. Ob sich andere Obergerichte dieser Linie anschließen werden, bleibt abzuwarten. Immerhin wird die bei anderen Obergerichten bemängelte fehlende Kenntnis der Geschwindigkeitsbegrenzung durch die Entscheidung für die generelle Bemerkbarkeit (vgl. z.B. OLG Celle, NZV 2011, 411; OLG Schleswig, DAR 1992, 311; OLG Braunschweig, DAR 2011, 406; KG Berlin, VRS 122, 232) nunmehr zwar indiziert (vgl. auch Krumm, NZV 2007, 501). Dennoch gibt es aber ebenfalls Gerichte, die den gegenteiligen Grundsatz weiterhin aufrechterhalten, dass man eben nicht davon ausgehen kann, dass Verkehrsschilder immer gesehen werden. Dies verschiebt den Tatnachweis stärker auf die Seite des Gerichts.
Zur parallelen Problematik der Vorsatzannahme bei Abstandsunterschreitung siehe OLG Bamberg, zfs 2011, 50 und jurisPR-VerkR 4/2011 Anm. 5.
Des Weiteren wird eine Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung fortgesetzt, die in den Urteilsgründen mehr als die Nennung des Messsystems und der Toleranzwerte fordert, so dass Eichung und ordnungsgemäße Bedienung durch einen entsprechend geschulten Beamten ebenfalls zu nennen sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.5.2011 – 2 SsBs 35/11, juris; OLG Celle, Entscheidung v. 21.9.2011 – 322 SsRs 328/11, juris; OLG Frankfurt, NZV 2002, 135; OLG Hamm, NZV 2010, 215). Auch dies ist zu begrüßen, denn die Annahme eines standardisierten Messverfahrens setzt ja gerade bestimmte Vorgaben voraus und es gibt keinen vernünftigen Grund, diese dann nicht auch im Urteil festhalten zu müssen.
Dogmatisch wird sehr richtig die immer wieder festzustellende Unsitte in erster Instanz angeprangert, bei eigentlich nicht mehr gebotenem Fahrverbot doch den Weg über § 4 Abs. 4 BKatV zu wählen: Wenn der Tatrichter gar kein Fahrverbot anordnen könnte, kann es auch nicht gegen Erhöhung der Geldbuße wegfallen (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.8.2010 – 1(8) SsRs 382/09 – AK 100/09, juris). Auch deshalb muss der Verteidiger seine Strategie gegen das Fahrverbot stufenweise aufbauen und darf sein Pulver nicht verfrüht verschießen. Argumente gegen das Fahrverbot dürfen durchaus hilfsweise vorgetragen werden, um ggf. dem Gericht nochmals die richtige dogmatische Herangehensweise an die Anordnung des Fahrverbots nahezulegen.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 9/2014, S. 530 - 534