PNE Nr. 1.2.2
Leitsatz
1. Eine Klausel, die eine Entschädigung der Kosten eines Rücktransports von einer ärztlichen Verordnung abhängig macht, ist unwirksam.
2. Ein Rücktransport mit einem Charterflug ist medizinisch nicht notwendig, wenn nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen auch die Inanspruchnahme eines Linienfluges oder eine Bahnreise akzeptabel gewesen wären.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2015 – 12 U 146/14
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Erstattung der Kosten eines Rücktransports in einer von dem Kl. abgeschlossenen Krankheitskostenversicherung mit Auslandsdeckung. Danach erstattet die Bekl. die Aufwendungen für einen medizinisch notwendigen und ärztlich verordneten Rücktransport versicherter Personen an deren ständigen Wohnsitz. Die Ehefrau des Kl. befand sich Ende Mai mit dem Kl. auf einer Reise nach Frankreich. Am 28.5.2013 traten bei ihr, die sich nach künstlicher Befruchtung in der 35. Schwangerschaftswoche befand, Blutungen und andere Komplikationen auf. Sie wurde sie in einem Krankenhaus in der Normandie eine Nacht stationär behandelt, dann aber mit einer "fit-for-fly"-Bescheinigung entlassen. Der Kl. hat behauptet, es habe eine Frühgeburt gedroht; schon wegen der dann auftretenden sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten sei eine Rückkehr erforderlich gewesen.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Der Kl. hat gegen den Bekl. Anspruch auf Zahlung von 2.000 EUR aus dem Versicherungsvertrag Abschnitt II. A Nr. 1.2.2 des Tarifs PNE."
a) Auf die Frage, ob der Rücktransport ärztlich angeordnet war i.S.v. Abschnitt II. A. Nr. 1.2.2 des Tarifs PNE, kommt es nicht an.
aa) Die Klausel ist unwirksam, weil sie den VN entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB. Eine solche Klausel ist mit wesentlichen Rechten oder Pflichten einer Auslandskrankenrücktransportversicherung nicht vereinbar, weil sie gem. § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB die Rechte eines VN so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Zum einen kann es nicht auf die subjektive Sicht eines Arztes im Ausland ankommen, ob ein Rücktransport erforderlich ist oder nicht. Zum anderen ist nach der von dem Bekl. vorgenommenen Auslegung seiner Klausel davon auszugehen, dass er dieser selbst zugrunde legt, berechtigt zu sein, im Nachhinein überprüfen zu lassen, ob eine objektive Notwendigkeit des Rücktransports bestand. Der Senat schließt sich insoweit der bisherigen obergerichtlichen Rspr. an, die die Notwendigkeit einer schriftlichen ärztlichen Anordnung vor einem Krankenrücktransport als unwirksam erachtet (OLG Saarbrücken NVersZ 2002, 26; OLG Stuttgart MDR 2014, 490).
bb) Der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien ist ergänzend auszulegen. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist notwendig, weil die unwirksame Klausel Ziff. 1.2.2 wegfällt. Bei ersatzlosem Wegfall der Klausel wäre die Kostenerstattung und somit die Versicherungsleistung des VR nicht mehr vereinbart und völlig entfallen. Dispositives Gesetzesrecht steht für eine Auslandskrankenrücktransportversicherung nicht zur Verfügung, weil die Kosten eines Rücktransports aus dem Ausland für den Bereich der privaten Krankenversicherung gesetzlich nicht geregelt sind. Aus diesem Grund ist es geboten, die entstandene Lücke in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (BGHZ 117, 92). Danach kommt es darauf an, welche Gestaltung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Rücktransports ausschließlich darauf ankommen kann, ob der Rücktransport medizinisch notwendig gewesen ist (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.).
b) Den Bekl. trifft als Krankenversicherer mit einer Komponente zur Auslandskrankenrücktransportversicherung die Pflicht, bei einem behaupteten Versicherungsfall (Erkrankung und Notwendigkeit der Heilbehandlung bzw. des Krankenrücktransports) die Notwendigkeit eines Krankenrücktransports vor Durchführung zu prüfen und die Krankenrücktransportkosten auszugleichen. Unter einem “medizinisch notwendigen Krankenrücktransport’ ist eine erforderliche Maßnahme im Zusammenhang mit dem Rücktransport zu verstehen, die nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme aus ärztlicher Sicht vertretbar gewesen war (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.).
aa) Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass eine Rückreise aus der Normandie nach Hause grds. medizinisch notwendig war, nicht aber der gewählte Rücktransport mittels eines Charterfluges. Der gynäkologische Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass aus der Diagnose der behandelnden Ärzte eine Rückreise mit dem Zug bei einer Dauer von ca. 8 Stunden oder ein Rückflug mit einmaligen Umstei...