"II. Das Rechtsmittel ist zulässig."
Zwar ist die Rechtsbeschwerdebegründung wohl nicht rechtzeitig beim AG Bitterfeld-Wolfen eingegangen, indes hat der Verteidiger rechtzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, darin hat er glaubhaft gemacht, dass den Betr. – und auch den Verteidiger, worauf es indes nicht ankommt – kein Verschulden daran trifft, dass die am 17.12.2014 an das AG per Telefax abgesandte Rechtsbeschwerdebegründung dort nicht eingegangen ist.
Das Rechtsmittel hat auch Erfolg. In gehöriger Form rügt die Verteidigung, dass das AG es zu Unrecht abgelehnt hat, den Betr. von der Verpflichtung, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, zu entbinden (Verstoß gegen § 73 Abs. 2 OWiG). Wird der Entbindungsantrag aber zu Unrecht abgelehnt, kann der Einspruch nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden, was mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden kann (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., Rn 48 b zu § 74),
Das AG hätte dem Entbindungsantrag stattgeben müssen. Der Betr. hat sich zur Sache geäußert, indem er seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat, außerdem hat er erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde. Seine Anwesenheit war auch nicht zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich.
Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Polizeibeamten, welche die erforderlichen Erkenntnisse grds. niederzulegen haben und dies auch tun, sich in der Hauptverhandlung an den Vorfall auch bei Vorhalt der von ihnen gefertigten Unterlagen nicht erinnern könnten, gab es ebenso wenig wie für die Erwartung, dass im Falle einer solchen Erinnerungslosigkeit die Besichtigung des schweigenden Betr. durch die Zeugen der Erinnerungslosigkeit abhelfen könnte.
Der Betr. hatte angekündigt, in der Hauptverhandlung zu schweigen. Anhaltspunkte dafür, dass er diesen Entschluss in der Hauptverhandlung durch gutes oder schlechtes Zureden aufgeben werde, gab es nicht. Die Inaugenscheinnahme eines schweigenden Betr. durch das Gericht vermag unter keinen Umständen einen für die Rechtsfolgenentscheidung relevanten persönlichen Eindruck zu verschaffen, auch lässt die Art des Schweigens keine Rückschlüsse darauf zu, ob er vorsätzlich oder fahrlässig zu schnell gefahren ist.
Durch die Verwerfung des Einspruchs hat das Gericht auch den Anspruch des Betr. auf rechtliches Gehör verletzt, weil ihm so die Gelegenheit genommen wurde, die bereits schriftsätzlich vorgetragenen Einwände, die seine Verteidigerin in der Hauptverhandlung bei Verhandlung zur Sache wiederholt hätte, einer gerichtlichen Prüfung unterziehen zu lassen.
Da das AG Dessau-Roßlau den Betr. in Bußgeldverfahren immer wieder das rechtliche Gehör versagt, sieht sich der Senat veranlasst, die Sache an ein anderes AG, nämlich das AG Bitterfeld-Wolfen, zurückzuverweisen.“
Mitgeteilt von RA Steffen Körbs, Bitterfeld-Wolfen