VVG § 28 Abs. 3, 4; VHB 2008 Teil B § 8 Nr. 2.1 f
Leitsatz
1. Die Stehlgutliste ist eine listenförmige Aufzeichnung der entwendeten Gegenstände ohne Wertangaben oder Beschreibungen; ihr sind keine Belege beizufügen.
2. Die Obliegenheit, bei Eintritt des Versicherungsfalls der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen vorzulegen, ist eine Aufklärungsobliegenheit, für die das Belehrungserfordernis des § 28 Abs. 4 VVG gilt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Urt. v. 11.12.2014 – 8 U 190/14
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. nach einem Einbruchsdiebstahl Mitte Juli 2012 auf eine Entschädigung für die ihm entwendeten Gegenstände in Anspruch. Zum Tatzeitpunkt befand er sich in Urlaub, kehrte am 31.7.2012 zurück und zeigte der Bekl. den Versicherungsfall unter dem 14.8.2012 an. Eine zweiseitige Aufstellung der entwendeten Gegenstände reichte der Kl. unter dem 23.8.2012 bei der Polizei ein. Fahndungsmaßnahmen nach den entwendeten Gegenständen erfolgten weder vor noch nach Eingang der Aufstellung. Die Bekl. regulierte den Schadensfall auf der Grundlage einer 50-% Kürzung, weil der Kl. die Stehlgutliste nicht unverzüglich eingereicht habe.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Der Kl. hat gem. § 1 S. 1 VVG i.V.m. Teil A §§ 1 Nr. 1b, 3 Nr. 1a, Nr. 2a VHB 2008 einen Anspruch auf Zahlung des Betrages von insg. 13.430,14 EUR, um den die Bekl. ihre Versicherungsleistung gekürzt hat. … Zu einer Kürzung der Versicherungsleistung wegen einer Obliegenheitsverletzung gem. Teil B § 8 Nr. 2.1 f, Nr. 3 VHB 2008 war die Bekl. nicht berechtigt, weil der Kl. seine Obliegenheit zur Vorlage einer sog. Stehlgutliste jedenfalls nicht grob fahrlässig verletzt hat."
a) Zwar hat der Kl. objektiv seine Obliegenheit, der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen, verletzt, da die Hereingabe bei der Polizei – unabhängig von dem strittigen Datum – nicht mehr als unverzüglich anzusehen ist. Inhaltlich genügte die Aufstellung dagegen den mit den VHB 2008 vereinbarten Anforderungen.
aa) Nach den maßgeblichen VHB 2008 war der Kl. nur verpflichtet, bei der Bekl. und der Polizei ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen. Aus dem Wortlaut der Klausel lässt sich für den verständigen VN nicht entnehmen, dass dem Verzeichnis Belege beizufügen sind oder die einzelnen Gegenstände genau zu beschreiben sind. Dies ergibt sich aus dem Begriff “Verzeichnis’ nicht. Hierunter versteht man lediglich eine “listenförmige Zusammenstellung’. Bei der Auslegung der Klausel ist außerdem zu berücksichtigen, dass nach der hier vorliegenden Fassung – anders als z.B. in § 21 VHB 84 – in einem Zuge verlangt wird, dem VR und der Polizei das Verzeichnis einzureichen. Der VN kann daher davon ausgehen, dass er beiden das gleiche Verzeichnis einzureichen hat. Aus Sicht des VN ist nicht anzunehmen, dass in beiden Fällen unterschiedliche Anforderungen zu berücksichtigen sind, etwa der VR Angaben zu wertbildenden Merkmalen und Kaufpreisen und die Polizei nähere Beschreibungen zu Fahndungszwecken erhalten soll. Der VN wird sich daher bei seinem Bemühen, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfassen, an den Wortlaut der Klausel halten und davon ausgehen, dass die umfangreiche Aufstellung der Obliegenheiten in den VHB 2008 abschließend ist und nicht “nach dem Sinn und Zweck’ weitergehende, nicht genannte Anforderungen zu erfüllen sind. Insoweit darf der VN bei der Auslegung der Klausel berücksichtigen, dass die Bekl. ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, zusätzliche Anforderungen zu stellen, etwa genaue Beschreibungen der Gegenstände zu verlangen, wenn dies von ihr gewünscht gewesen wäre.
Soweit der BGH in einer Entscheidung ausgeführt hat, bei einer “Stehlgutliste’ handele es sich um eine Aufstellung der entwendeten, möglichst genau beschriebenen Sachen, ging es um eine Geschäfts- und Betriebsversicherung (BGH NJW-RR 1988, 728). Dort mag für die Beschreibung von Betriebsmitteln etwas anderes gelten als bei den vorliegenden Versicherungsbedingungen, die sich an Verbraucher richten. Auch ergibt sich aus der Entscheidung nicht der genaue Wortlaut der dort maßgeblichen Klausel.
Gegen die Wirksamkeit der vorliegenden Klausel bestehen – bei dieser nach Ansicht des Senats gebotenen, am Wortlaut orientierten Auslegung – keine Bedenken (s. zu den Bedenken bei anderer Auslegung: OLG Karlsruhe zfs 2012, 30). Soweit man dem Zweck der Klausel eine weitergehende Verpflichtung entnehmen wollte, die Gegenstände möglichst detailliert zu beschreiben (so wohl h.M., vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 28. Aufl., § 26 VHB 2000, Rn 9 … ), wäre allerdings mit dem OLG Karlsruhe … die Wirksamkeit der Klausel in Frage zu stellen. Denn dann wäre für den VN vollkommen unklar, welches Maß an Detailliertheit einerseits verlangt wird und welchen Zeitaufwand er andererseits für weitere Recherchen (etwa Durchsicht von Fotos, um Schmuck beschreiben zu können, etc.) aufbringen darf, ohne dass er sich dem Vorwurf aussetzt, das Verzeichnis nicht mehr unverzüglich eingereicht zu haben.
bb) I...