VGB 2008 § 1 Nr. 1b § 3 Nr. 3
Leitsatz
Der VR haftet für alle Leitungswasserschäden, die innerhalb der Laufzeit des Vertrags erkennbar werden, auch wenn die Ursachen für die Schäden schon vor Vertragsschluss gesetzt worden sind, ohne dass der VN dies allerdings erkannt hätte.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Schleswig, Urt. v. 19.2.2015 – 16 U 99/14
Sachverhalt
Der Kl. ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, das vordem bei der P. versichert war. Zum 2.1.2013 schloss er bei dem Bekl. eine verbundene Wohngebäudeversicherung ab.
In der ersten Augustwoche platzte ein Wasserrohr, das zu einem Heizkessel führte, wodurch Leitungswasser in die darunter liegenden Räumlichkeiten drang. Der Bekl., dem der Kl. den Schaden am 22.8.2013 meldete, ließ sachverständig feststellen, dass das geplatzte Wasserrohr korrodiert war, weil darauf Wasser tropfte, das aus einer ihrerseits korrodierten und geplatzten Vorlaufleitung der Heiztherme ausgetreten war.
Der Bekl. verweigerte die Regulierung mit der Begründung, dass die durch die Leckage an der Vorlaufleitung der Heiztherme verursachte Korrosion der Anschlussleitung nicht innerhalb weniger Tage entstanden sein könne, sondern dies ein Vorgang sei, der sich über mehrere Monate hinweg entwickele; daher sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das schadensverursachende Ereignis schon vor dem Versicherungsbeginn beim Bekl. liege.
2 Aus den Gründen:
" … Der Kl. kann vom Bekl. die begehrte Regulierung des Leitungswasserschadens vom August 2013 und damit den eingeklagten Betrag verlangen."
1. Anspruchsgrundlage für den Kl. sind die §§ 1 Nr. 1b, 3 Nr. 3 VGB 2008-SL. Nach § 1 Nr. 1b VGB 2008-SL leistet der VR Entschädigung für versicherte Sachen, die u.a. durch Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Gem. § 3 Nr. 3 VGB 2008-SL (Nässeschäden) leistet der VR Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Das Leitungswasser muss dabei aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Solarheizungsanlagen ausgetreten sein.
Entgegen der vom Kl. noch aufgebrachten Idee ist hier nicht § 3 Nr. 1a VGB 2008-SL maßgebend. Danach leistet der VR Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eingetretene frostbedingte und sonstige Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung (Zu- oder Ableitungen). Die Bestimmung betrifft nur den sog. Bruchschaden, also den Schaden an einem gebrochenen Rohr selbst und dessen Ersatz, nicht aber den aus dem Bruch erwachsenden Folgeschaden, der als sog. Nässeschaden – so auch dessen Überschrift – § 3 Nr. 3 VGB 2008-SL unterliegt.
2. Vorliegend sind i.S.v. § 3 Nr. 3 VGB 2008-SL versicherte Sachen durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser beschädigt worden.
Der Schaden, den der Kl. ersetzt verlangt, ist dadurch eingetreten, dass ein am Heizkessel ansetzendes Wasserrohr geplatzt ist, wodurch bestimmungswidrig Leitungswasser in die darunter liegenden Räumlichkeiten eingedrungen ist. Ursache für das Platzen dieses Wasserrohrs war wiederum eine Leckage in der Vorlaufleitung zur Heiztherme, die ihrerseits … korrodiert und geplatzt war; das dort ausgetretene Wasser hatte zu einer Korrosion des darunter gelegenen, von oben in den Warmwasserspeicher führenden Wasserrohrs geführt.
3. Der Bekl. ist für den unstreitig erst in versicherter Zeit zutage getretenen Leitungswasserschaden auch einstandspflichtig.
Das vom LG für richtig erachtete Ergebnis, dass der VN bei einem Wechsel des Gebäudeversicherers weder vom aktuellen noch von dem früheren VR Ersatz für einen Leitungswasserschaden verlangen kann, wenn sich – wie häufig – nicht feststellen lässt, wann der Wasserschaden seinen konkreten Anfang in Gestalt erstmals auslaufenden Leitungswassers genommen hat, ist ersichtlich unbefriedigend. Eine solche Regelungslücke darf es gerade in der für den VN häufig existentiellen Gebäudeversicherung nicht geben. Entsprechend sind die Klauseln über Leitungswasserschäden, die §§ 1 Nr. 1b, 3 Nr. 3 VGB 2008-SL, dahin auszulegen, dass der VR für alle die Leitungswasserschäden haftet, die innerhalb der Vertragslaufzeit erkennbar werden, auch wenn die Ursachen für die Schäden – für den VN nicht erkennbar – schon vor Vertragsbeginn gesetzt worden sind.
Nach der st. Rspr. des BGH, der der Senat folgt, sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss, der sie aufmerksam und verständig und nicht zuletzt mit Rücksicht auf seine eigenen Interessen liest. Ein solcher durchschnittlicher VN wird selbstverständlich davon ausgehen, dass – was Leitungswasserschäden betrifft – der VR alle die Schäden reguliert, die ihm bei Vertragsschluss nicht bekannt waren oder ihm hätten bekannt sein können. Von Theorien über den Beginn des Versicherungsfalls, etwa der sog. “Theorie des erst...