[9] "… Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das BG."

[10] I. Dieses hat angenommen, dass die Bekl. die Kl. jedenfalls wirksam auf den Ausbildungsberuf der Bürokauffrau verwiesen hat. Die Ausbildungsklausel, die die Möglichkeit einer abstrakten Verweisung in den beiden ersten Ausbildungsjahren vorsieht, sei Vertragsbestandteil geworden. Die Bekl. habe den Antrag der Kl. einschließlich dieser Klausel angenommen. Die fehlende Wiederholung im Versicherungsschein ändere daran nichts. Zwar habe der Versicherungsschein grds. die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich; diese Vermutung sei hier aber durch das von der Kl. unterzeichnete Formular, das die fragliche Klausel enthielt, widerlegt. Ausgehend davon stünden der Kl. keine Leistungen zu, weil eine abstrakte Verweisungsmöglichkeit bestehe. Dass sie für den Ausbildungsberuf der Bürokauffrau ungeeignet sei oder ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen dieser Ausbildung entgegenstünden, habe die Kl. nicht aufgezeigt. Auf die Möglichkeit der konkreten Verweisung auf den aktuellen Ausbildungsberuf der Kl. komme es nicht an.

[11] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[12] 1. Nach § 5 Abs. 1 VVG kommt der Versicherungsvertrag mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande, sofern dieser vom Inhalt des zugrunde liegenden Antrags abweicht und der VN dem nicht binnen eines Monats widerspricht; dies gilt nach der Rspr. des Senats im Falle einer dem VN günstigen Abweichung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 2 der Vorschrift, weil dieser – anders als Abs. 1 – nur im Falle den VN benachteiligender Abweichungen anzuwenden ist (Senat VersR 1995, 648 unter 1a m.w.N.).

[13] An dieser Auslegung des § 5 VVG hält der Senat auch in Anbetracht der im Schrifttum nach der VVG-Reform geführten Diskussion fest.

[14] Soweit die Auffassung vertreten wird, dass sich der Inhalt des Vertrags in diesen Fällen nicht nach § 5 Abs. 1 VVG, sondern nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs richte (Prölss/Martin/Rudy, VVG, 29. Aufl., § 5 Rn 7; Bruck/Möller/Knops, VVG, 9. Aufl., § 5 Rn 8 … ), ist dem entgegenzuhalten, dass der klare Wortlaut des § 5 Abs. 1 VVG gegen eine Einschränkung auf dem VN ungünstige Abweichungen spricht und eine solche Einschränkung auch durch den Zweck der Norm nicht geboten wird (ebenso mit zutreffender Begründung VersRHdb/Johannsen, 3. Aufl., § 8 Rn 59 und HK-VVG/Brömmelmeyer, 3. Aufl., § 5 Rn 9).

[15] Aber auch der Ansicht, dass im Falle für den VN günstiger Abweichungen § 5 VVG insgesamt, also einschließlich der Abs. 2 und 3, anzuwenden sei und deshalb auch in diesem Fall eine dem § 5 Abs. 2 VVG entsprechende Belehrung erforderlich sei, damit die Abweichung zum Vertragsinhalt wird (Looschelders/Pohlmann/Schneider, VVG, 2. Aufl., § 5 Rn 16), ist nicht zu folgen. Sie berücksichtigt nicht hinreichend, dass es sich bei Abs. 2 des § 5 VVG um eine Schutzvorschrift für den VN handelt und deshalb kein Grund ersichtlich ist, weshalb ein VR aus der Verletzung dieser Schutzvorschrift sollte Rechte herleiten können (Senat VersR 1976, 477 unter II 1, juris Rn 41); daran hat sich durch die Neufassung von § 5 Abs. 3 VVG im Zuge der VVG-Reform nichts geändert. …

[16] Im Ergebnis zu keinem Unterschied führt schließlich die Auffassung, nach der zwar die Abs. 2 und 3 des § 5 VVG auf alle Abweichungen des Versicherungsscheins vom Antrag anwendbar sein sollen, es dem VR aber bei Abweichungen, die für den VN günstig sind, nach § 242 BGB verwehrt sei, sich auf das Fehlen der Voraussetzungen für die Genehmigungsfiktion zu berufen (so MüKo-VVG/Armbrüster, 2. Aufl., § 5 Rn 29 und FAKomm-VersR/Reusch, VVG, § 5 Rn 22 f.).

[17] 2. Eine Ausnahme von der Genehmigungsfiktion nach § 5 Abs. 1 VVG ist nur dann zu machen, wenn der Erklärende – also der VR – in Wahrheit etwas anderes wollte und der Erklärungsempfänger – also der VN – dies erkannt hat, mithin der übereinstimmende Wille beider Parteien auf einen anderen Regelungsinhalt gerichtet war. In diesen Fällen ist unabhängig von der Regelung des § 5 VVG der wahre Wille des Erklärenden maßgebend (Senat VersR 1995, 648 unter 2).

[18] 3. Nach den vorgenannten Maßstäben hat das BG zu Unrecht angenommen, dass die im Vorschlag der Bekl. enthaltene und im Antrag der Kl. in Bezug genommene Zusatzvereinbarung Bestandteil des Versicherungsvertrags geworden ist.

[19] a) Der Versicherungsschein erwähnt diese Zusatzvereinbarung nicht, sondern nennt als für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltende Versicherungsbedingungen ausschließlich die BUZVB 03.09, die die Kl. mit der Antragsdurchschrift bereits erhalten habe. Anders als die Revisionserwiderung meint, lässt sich diesem Hinweis auf deren Aushändigung nicht entnehmen, dass weitere – an dieser Stelle nicht erwähnte – Vereinbarungen oder Bedingungen für den Vertrag gelten sollen.

[20] Damit liegt eine Abweichung des Versicherungsscheins vom Antrag vor, so dass der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 VVG eröffnet ist. Von einer solch...

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