Der Beschluss des LG Tübingen stellt eingängig die Unterschiede zwischen den zu den Gemeinkosten gehörenden und durch das Honorar abgegoltenen Aufwendungen des Sachverständigen einerseits und den besonderen, von der Staatskasse gesondert zu honorierenden Kosten andererseits dar.
Gemeinkosten
Im Regelfall gehören die Aufwendungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen für die Anschaffung von Software zu den gem. § 12 Abs. 1 S. 1 JVEG nicht gesondert zu erstattenden Gemeinkosten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Tätigkeitsgebiet des Sachverständigen größere technische Aufwendungen verlangt als andere Sachgebiete oder in besonders großem Umfang teure Technik in Anspruch nimmt. Solche fachspezifischen Mehrkosten sind nämlich bereits in dem Honorar einschließlich der Abstufungen nach der Anlage 1 zu § 9 JVEG ausreichend berücksichtigt (s. KG KGR 2009, 552; H. Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, § 12 Rn 8). Somit sind auch die Anschaffungskosten für normale Bürosoftware, aber auch für Software, die speziell für besondere Sachgebiete eingesetzt wird, nicht gesondert zu vergüten. Dies gilt grds. auch für den Aufwand für ein selbst entwickeltes Softwareprogramm (H. Schneider, a.a.O., Rn 9).
Auch eine Simulationssoftware, mit der Modellannahmen berechnet werden können, gehört zur angemessenen technischen Ausstattung eines hydrologischen Gutachters, die als übliche Gemeinkosten mit der Vergütung abgegolten werden (s. OVG Lüneburg JurBüro 2014, 651).
Besondere Kosten
Anders wird dies hingegen beurteilt für den Aufwand zur Beschaffung und Bereitstellung von Materialien, Geräten, selbst von Fachliteratur, die für die Erledigung des erteilten Gutachtenauftrags notwendig sind, aber nicht "zur normalen" Ausstattung eines durchschnittlichen Sachverständigen gehören (Zimmermann, JVEG, 2005, § 12 Rn 10; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rn 12.7). Ebenso können die Benutzungsentgelte für eine im Einzelfall für die Gutachtenerstellung erforderliche Benutzung einer Datenbank gesondert ersetzt werden (LSG Rheinland-Pfalz Rpfleger 1986, 82 zum ZSEG; Meyer/Höver/Bach, a.a.O.). Legt man diese Grundsätze für die Ersatzfähigkeit von notwendigen besonderen Kosten auf den Fall des LG Lüneburg an, dürfte die Auffassung des LG zutreffend sein.
Praktische Auswirkungen auf die Verfahrensbeteiligten
Die nach dem JVEG gezahlten Beträge gehören zu den gerichtlichen Auslagen, die die Staatskasse dem jeweiligen Kostenschuldner in Rechnung stellt. Hierunter fällt somit auch die von der Staatskasse an den gerichtlich bestellten Sachverständigen ausgezahlte Vergütung, die ggf. – wie hier – die besonderen Kosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG enthält. Hat sich ein Hersteller eines Geschwindigkeitsmessgeräts entschlossen, dem gerichtlich bestellten Sachverständigen das für die Erstellung seines Gutachtens erforderliche Auswertetool für eine einmalige Nutzung nur gegen Zahlung eines gesonderten Betrags zur Verfügung zu stellen – hier immerhin 105 EUR netto – , so erhöht sich die Vergütung des Sachverständigen um diesen Betrag. Geht man davon aus, dass dies im Jahr in Deutschland einige Hundert Mal erfolgt, ist das ein erklecklicher Betrag, der dem Hersteller aufgrund seiner "freien unternehmerischen Entscheidung" (so das LG Tübingen) gesondert zufließt. Dies trifft zunächst die Staatskasse, die dem Sachverständigen aufgrund seiner Bestellung die Vergütung nach dem JVEG schuldet. Diese muss dann sehen, dass sie die ausgezahlte Vergütung neben den übrigen Gerichtskosten wieder von dem Kostenschuldner hereinholt.
Der jeweilige Kostenschuldner kann sich dagegen wehren, indem er gegen den Gerichtskostenansatz gem. § 66 Abs. 1 GKG Erinnerung einlegt. Damit kann er auch geltend machen, die an den Sachverständigen ausgezahlte Vergütung sei überhöht, etwa weil diese auch die Kosten für die einmalige Nutzung des Auswertetools enthält. Das mit dieser Erinnerung befasste Gericht ist an die gem. § 4 Abs. 1 JVEG erfolgte Festsetzung der Sachverständigenvergütung nicht gebunden, weil die Entscheidungen im Festsetzungsverfahren gem. § 4 Abs. 9 JVEG nicht zu Lasten des Kostenschuldners gelten. Es kann also durchaus sein, dass das mit der Erinnerung gem. § 66 Abs. 1 GKG befasste Gericht zu einer anderen Auffassung gelangt als hier das LG Tübingen. Dann bleibt letztlich die Staatskasse auf diesen gesonderten Kosten sitzen.
Beschwerdeentscheidung des OLG Stuttgart
Nach Redaktionsschluss ist die auf die vom LG Tübingen zugelassene weitere Beschwerde ergangene Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschl. v. 13.7.2018 – 4 Ws 158/18) bekannt geworden. Das OLG hat die weitere Beschwerde an die Staatskasse zurückgewiesen und ist dabei der Argumentation des LG Tübingen gefolgt.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 9/2018, S. 527 - 529