VVG § 172
Leitsatz
Ein VN, der behauptet, wegen einer psychischen Erkrankung berufsunfähig zu sein, muss darlegen, welche konkreten funktionellen Beeinträchtigungen ihn an welchen konkreten beruflichen Verrichtungen hindern.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.1.2018 – 5 W 5/18
Sachverhalt
Der ASt. begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der er eine Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1.11.2014, Beitragsfreistellung und Rückzahlung von Beiträgen verlangt.
Das LG hat dem ASt. Prozesskostenhilfe verweigert, weil der ASt. einen Anspruch nicht schlüssig dargelegt habe. Es fehle an einer konkreten Schilderung seines Berufsbildes als Student bzw. als Werksstudent. Es sei auch nicht dargelegt, warum er sein Studium nicht fortführen könne.
2 Aus den Gründen:
"… Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet."
(1.) Bei der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grds. die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war. Der Versicherte muss zu dieser konkreten beruflichen Tätigkeit in einem Ausmaß nicht mehr im Stande sein, das nach den Versicherungsbedingungen einen Rentenanspruch begründet. Dies muss der VN darlegen und beweisen (BGH VersR 2003, 631).
Als Sachvortrag genügt dazu grds. nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit, vielmehr muss für einen Außenstehenden ohne weiteres nachvollziehbar werden, welcher Art die regelmäßig ausgeübten Tätigkeiten waren, welchen Umfang und Häufigkeit sie annahmen und welche Anforderungen sie an die Leistungsfähigkeit stellten (BGH NJW-RR 1996, 345, NJW-RR 2004, 1679).
Daneben muss konkret dargelegt werden, welche gesundheitlichen Hindernisse der Fortführung der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit entgegenstehen. Dem wird ein VN zwar regelmäßig allein durch die Angabe seiner gesundheitlichen Leiden und die Behauptung einer daraus folgenden Berufsunfähigkeit genügen; in Tiefe und Breite der Darlegung darf von ihm als medizinischen Laien insoweit grds. nicht zu viel verlangt werden. Gerade aber bei vornehmlich psychischen Befindlichkeitsstörungen unklarer Wirkung wie z.B. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Nervosität, nicht näher bezeichnete “Angstzustände', die einen Berufstätigen mehr oder weniger oder überhaupt nicht nennenswert bei der Fortführung seiner Tätigkeit belasten, genügt die Behauptung nicht, die gesamte Tätigkeit könne nicht mehr ausgeübt werden. Andernfalls müsste ein gerichtlicher Sachverständiger erst ausforschen, in welcher Form welche “gesundheitlichen' Belastungen oder nur Stimmungsschwankungen der Ausübung der Berufstätigkeit entgegenstehen (Senat VersR 2007, 96).
Deshalb muss ein VN, der Berufsunfähigkeit wegen psychischer Probleme behauptet, darlegen, wann, wie oft, wie lange, mit welcher Intensität und Dauer welche tatsächlichen Störungen seiner beruflichen Tätigkeit aufgetreten sind, und aus welchen Gründen es ihm nicht möglich ist, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch zugängliche und ohne weiteres zumutbare eigene Anstrengungen “in den Griff' zu bekommen (Senat NJW-RR 2007, 755).
Nach diesen Grundsätzen genügt der Vortrag des ASt. Bereits im Klageentwurf hat der ASt. vorgetragen, dass er ängstlich, sozial verunsichert, depressiv, antriebsgestört und massiv eingeschränkt in der kognitiven und sozialen Belastbarkeit ist, dass er Prüfungssituationen nicht aushält und diesen krankheitsbedingt aus dem Weg geht. Dieser Vortrag steht im Einklang mit seinen Angaben im Rahmen der Leistungsprüfung durch die Bekl. Er hat (…) angegeben, sich wegen seiner näher bezeichneten psychischen Probleme nicht zum Diplom habe anmelden können, nicht einmal die Sekretärin habe anrufen oder zu Lehrveranstaltungen habe gehen können. Selbst die unternommene medikamentöse und psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung habe daran nichts ändern können.
Trifft diese Behauptung zu, die der ASt. noch weiter dahin konkretisiert hat, dass seine Anspannung in Unerträgliche steige, wenn er sich irgendeiner Form sozialer Interaktion aussetze, er sich nach kurzer Zeit zurückziehen müsse und durch die Anspannung Atemnot, Erstickungsgefühle, Brustschmerzen usw. bekomme, dann folgt hieraus, dass der ASt. nicht in der Lage ist, seine Prüfung abzulegen und später im Beruf eines Übersetzers zu arbeiten, ohne dass es auf die näheren Einzelheiten der Prüfung oder des Übersetzerberufs ankommt. Der ASt. behauptet nämlich im Grunde, zu jeder beruflichen Tätigkeit außerstande zu sein, so dass es auf Einzelheiten des zuletzt ausgeübten Berufs ausnahmsweise nicht ankommt (siehe dazu allgemein: Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, 3.Aufl., § 46 Rn 143).
Gleiches gilt für seine Tätigkeit als Werksstudent. Der ASt. hat im Klageentwurf behauptet, dass er nicht mehr zu Absprachen (physisch oder per Telefon) mit den Kollegen im Entwicklerteam in der Lage und eine Zusammenarbeit für ihn nicht mehr möglich war. Er hat im Rahmen der Leistungsprüfung auf ...