OWiG § 29 a.F.
Leitsatz
1. Aus einem gegen den Täter sowie den Drittbegünstigten geführten einheitlichen Verfahren wird durch die Rücknahme und den Neuerlass des Verfallsbescheids gegen den Drittbegünstigten kein selbstständiges Verfallsverfahren.
2. Dem Neuerlass eines Verfallsbescheids gegen den Drittbegünstigten steht die Rechtskraft des Bußgeldbescheids gegen den Täter dann nicht entgegen, wenn der ursprüngliche Verfallsbescheid in einem einheitlichen Verfahren ergangen ist.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8.5.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 6/18
Sachverhalt
Die Verfallsbeteiligte betreibt eine Spedition in Rumänien. Sie beschäftigte u.a. den früheren Betr. N. Dieser befuhr mit einem Sattelzug am (…) die (…) in Fahrtrichtung (…) und wurde einer Verkehrskontrolle unterzogen. Wegen Verstoßes gegen die Ladungssicherung sowie eines beschädigten Reifens an der Mittelachse wurde in der Folge gegen den Fahrer als Betr. und gegen die Verfallsbeteiligte als dessen Arbeitgeberin durch das Polizeipräsidium (…)/Bußgeldstelle (…) als Verwaltungsbehörde wegen Verstoßes gegen §§ 22, 23, 49 Abs. 1 StVO, § 24 StVG ein einheitliches Bußgeldverfahren geführt. Gegen den Fahrer erließ die Bußgeldstelle am 18.1.2016 einen Bußgeldbescheid, der seit dem 10.2.2016 in Rechtskraft erwachsen ist. Mit Bescheid vom 18.1.2016 erließ die Bußgeldstelle eine Verfallsanordnung i.H.v. 9.587,32 EUR gegen die Verfallsbeteiligte, nachdem diese zuvor – unter Hinweis auf § 29a Abs. 2 OWiG – angehört und ihr mitgeteilt worden war, dass man beabsichtige, einen Verfall gem. § 29a OWiG anzuordnen. Nach zulässigem Einspruch der Verfallsbeteiligten erließ die Bußgeldstelle am 23.2.2016 – unter gleichzeitiger Aufhebung des Verfallsbescheids vom 18.1.2016 – eine erneute Verfallsanordnung i.H.v. 2.700 EUR, die im Übrigen mit der Anordnung vom 18.1.2016 weitestgehend identisch war. Auf ihren Einspruch stellte das AG das Verfahren gegen die Verfallsbeteiligte gem. § 206a StPO durch Urteil ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der zum Zeitpunkt des Erlasses des zweiten Verfallsbescheids eingetretenen Rechtskraft des Bußgeldbescheids gegen den Täter ein Verfahrenshindernis für das selbstständige Verfallsverfahren eingetreten sei. Das OLG Zweibrücken hat auf die Rechtsbeschwerde der StA das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils gem. § 79 Abs. 3 OWiG, § 353 StPO, da die Voraussetzungen zur Annahme eines Verfahrenshindernisses gem. § 206a StPO i.V.m. § 29a Abs. 4 OWiG in der bis zum 30.6.2017 geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.) nicht vorlagen."
1. Die Bußgeldstelle hat gem. § 29a Abs. 2 OWiG a.F. ein einheitliches Verfahren gegen den Fahrer sowie gegen die Verfallsbeteiligte geführt. Gemäß § 29a Abs. 2 OWiG a.F. kann der Verfall auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter einer mit Geldbuße bedrohten Handlung für diesen gehandelt und der Dritte durch die Tat etwas erlangt hat. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift kann der Verfall gegen den Dritten selbstständig nur angeordnet werden, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder es eingestellt wird. Damit ist auch die Anordnung nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids ausgeschlossen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.10.2015 – 1 OWi 1 SsBs 36/15).
Wird im Fall des § 29a Abs. 2 OWiG a.F. gegen den Täter das subjektive Verfahren durchgeführt, dann ist in diesem Verfahren zugleich über den Verfall gegen den Drittbegünstigten, für den der Täter gehandelt und der dadurch etwas erlangt hat, zu entscheiden. Denn die Grundlage für die Verfallsanordnung ist gerade diejenige mit Geldbuße bedrohte Handlung, die den Gegenstand des Verfahrens gegen den Täter bildet und in jenem Verfahren aufzuklären ist. Der Verfall wird in dem Verfahren gegen den Täter angeordnet. Der Dritte ist in diesem Verfahren zu beteiligen. § 87 Abs. 2 S. 2, Abs. 6 OWiG bestimmt für das subjektive Verfahren den Bußgeldbescheid grds. als einheitliche Verfahrensgrundlage (vgl. Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 3. Aufl., Stand Mai 2017, § 29a Rn 16).
Die Bußgeldstelle hat hier zwar in zwei gesonderten Bescheiden unter unterschiedlichen Aktenzeichen ein Bußgeld gegen den Fahrer verhängt sowie gegen die Drittbegünstigte den Verfall angeordnet, jedoch wird hierdurch die besondere Verknüpfungsfunktion zwischen Beschuldigung und Verfolgung des Betr. einerseits sowie Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte andererseits nicht beeinträchtigt. Der Bußgeldbescheid gegen den Betr. und die ursprüngliche Verfallsanordnung sind am selben Tag von der gleichen Behörde erlassen worden. Die Verfallsanordnungen enthalten überdies jeweils einen Hinweis auf das Bußgeldverfahren und dessen Aktenzeichen. Damit sind der Bußgeldbescheid und die Verfallsanordnungen objektiv und auch für die Verfahrensbeteiligten erkennbar miteinander verknüpft worden (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.4.2016 – 1 OWi 1 Ss Bs 1/16; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.9.1996 – II-459/96-3 Ss 12/96 OWi See; Rebmann...