Normenkette

§ 23 Abs. 4 WEG, § 29 Abs. 1 S. 1 WEG

 

Kommentar

1. In der Gemeinschaftsordnung dieser Wohnanlage aus dem Jahre 1972 war vereinbart:

"Ein Verwaltungsbeirat wird nicht bestellt. Die Einsetzung eines Verwaltungsbeirates bedarf der Zustimmung aller Miteigentümer."

Ungeachtet dieser Vereinbarung wurden in der Vergangenheit in dieser Gemeinschaft stets Verwaltungsbeiräte durch Mehrheitsbeschlüsse bestellt, zuletzt durch Mehrheitsbeschluss vom 18. 12. 1991, der nunmehr von einem antragstellenden Eigentümer (seinerzeitiger Erstverwalter) angefochten wurde.

2. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 WEGkönnen Eigentümer durch Stimmenmehrheit die Bestellung eines Verwaltungsbeirates beschließen. Insoweit steht es Eigentümern frei, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen zu treffen. Nach der hier in der Gemeinschaftsordnung getroffenen Vereinbarung ist die Bestellung eines Verwaltungsbeirates nicht schlechthin ausgeschlossen; vielmehr wurde lediglich die gesetzlich vorgesehene Regelung einer Bestellung durch Mehrheitsbeschluss dahin eingeschränkt, dass ein Beschluss aller Wohnungseigentümer für erforderlich erklärt ist. Eine solche Regelung ist nicht allein deshalb nichtig, weil es bei einer sehr großen Eigentümergemeinschaft wie hier der teilende Grundstückseigentümer in der Hand hat, die Bestellung eines Beirats im Ergebnis auf Dauer auszuschließen, da die Zustimmung aller Eigentümer praktisch nicht erreichbar ist. Im übrigen bleibt es den Wohnungseigentümern unbenommen, durch Mehrheitsbeschluss mit der wichtigsten Aufgabe des Beirats, nämlich der Überprüfung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung des Verwalters, jeweils einen einzelnen Wohnungseigentümer oder mehrere zu beauftragen, ohne dass es sich dabei um einen Verwaltungsbeirat im Sinne des Gesetzes handeln muß (vgl. Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, 2. Aufl., § 29 Rn. 1).

Eine einmal wirksam getroffene Vereinbarung kann grundsätzlich auch nur durch eine Vereinbarung geändert werden, also unter Mitwirkung sämtlicher Wohnungseigentümer, oder über entsprechenden abändernden, bestandskräftig werdenden Mehrheitsbeschluss ("Zitterbeschluss"). In dieser Gemeinschaft wurde allerdings kein Beschluss dahingehend gefaßt, dass künftig die gesetzliche Regelung an die Stelle der vereinbarten Regelung treten solle, also ein Verwaltungsbeirat stets mit Stimmenmehrheit bestellt werden könne.

Einen solchen Regelungsinhalt für die Zukunft hatten die früheren Bestellungsbeschlüsse mit festgelegten Beirats-Zeitabschnitten nicht.

Allein durch den Umstand, dass Wohnungseigentümer jahrelang in Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung einen Beirat allein mit Stimmenmehrheit gewählt hatten, ist die Gemeinschaftsordnung auch nicht stillschweigend außer Kraft gesetzt worden. Die Nichtanfechtung früherer Beschlüsse reicht aber nicht aus, um eine für das Zustandekommen einer Vereinbarung erforderliche Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer anzunehmen. Voraussetzung hierfür wäre, dass nach dem Willen aller Eigentümer auch künftig jeweils abweichend von der Gemeinschaftsordnung ein Mehrheitsbeschluss ausreichen sollte und sich kein Wohnungseigentümer mehr auf die hier getroffene Vereinbarung sollte berufen können. Voraussetzung für einen solchen Willen der Wohnungseigentümer wäre gewesen, dass jeder von ihnen die vom Gesetz abweichende Bestimmung der Gemeinschaftsordnung überhaupt kannte, wofür es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gab.

3. Die Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses kann im Einzelfall jedoch rechtsmissbräuchlich sein, so insbesondere, wenn einem Wohnungseigentümer das erforderliche Rechtschutzbedürfnis fehlt. Dieser Einwand kann jedoch einem Wohnungseigentümer, der sogar früher Verwalter war, nur dann entgegengehalten werden, wenn auch er die vom Gesetz abweichende Regelung der Gemeinschaftsordnung in der Vergangenheit kannte und dennoch jahrelang Mehrheitsbeschlüsse unbeanstandet hinnahm. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen ohne Rechtsfehler ein rechtsmißbräuchliches Handeln des Antragstellers verneint und sind zu Recht deshalb zu dem Ergebnis gelangt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller bewußt Kenntnis vom Inhalt der Gemeinschaftsordnung schon in der Vergangenheit hatte.

Von der Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme (Strengbeweis) konnte das Landgericht absehen und sich auch mit einer schriftlichen Äußerung eines Zeugen (sog. Freibeweis) begnügen.

Aus diesem Grund konnte der Antragsteller unter Berufung auf die Vereinbarung erfolgreich den Eigentümer-Mehrheitsbeschluss vom 18. 12. 1991 anfechten.

4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf DM 5.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 21.10.1993, 2Z BR 103/93)

zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

Anfang der 70er Jahre fürchteten offensichtlich einige Bauträger allzu kritisch agierende Beiräte, weshalb es damals mitunter zu solch "unglücklichen" Vereinbarungen wie im vorliegenden Fall kam. Die hier bauträgers...

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