Leitsatz

Eine festgestellte Verfahrensverzögerung von 34 Monaten führte zu einem Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von ca. 700000 EUR. Er konnte wegen Insolvenz des Beklagten während des Berufungsverfahrens seinen später titulierten Anspruch nicht realisieren. Jetzt zahlt das Land.

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Jahr 1984 Klage auf Bezahlung von vertragsgemäß erbrachten Transportleistungen erhoben. Dieser Prozess war nach knapp 18-jähriger Verfahrensdauer noch nicht entschieden, als am 1. 2.2002 über das Vermögen der beklagten Firma das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger konnte seine Forderung danach nur noch zum Teil realisieren aufgrund einer von der Beklagten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung des Klägers aus dem in der ersten Instanz verkündeten Schlussurteil gestellten Prozessbürgschaft. Der Kläger hat seinen mit ca. 1,6 Mio. EUR berechneten Ausfallschaden gegenüber dem beklagten Land in erster Instanz vor dem LG Dortmund erfolglos geltend gemacht. Nach Auffassung des OLG Hamm besteht aber ein Amtshaftungsanspruch des Klägers nach § 839 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 34 GG.

Als Anstellungskörperschaft haftet das beklagte Land für etwaiges dienstliches Fehlverhalten der mit der Bearbeitung und Entscheidung des Vorprozesses befassten Berufsrichter nach Amtshaftungsgrundsätzen.

Das Gericht sah einen Amtshaftungsanspruch und führte aus, dass vor allem die mit der Bearbeitung des Vorprozesses befassten Berufungsrichter beim OLG ihrer Verpflichtung, sich fortwährend und – mit zunehmender Verfahrensdauer um so nachhaltiger – um die Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen und damit einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten, zeitweise nicht in der gebotenen Form nachgekommen sind und dass durch die teilweise festgestellte Verfahrensverzögerung von 34 Monaten sei dem Kläger ein Schaden entstanden sei.

Der entstandene Schaden bliebe allerdings erheblich hinter den Berechnungen des Klägers zurück.

 

Hinweis

Es lässt sich nicht generell und nach festen Grundsätzen festlegen, ab wann von einer überlangen, die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unzumutbar beeinträchtigenden und deshalb verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Verfahrensdauer auszugehen ist. Es eine Frage des Einzelfalls, wobei insbesondere die Bedeutung des Rechtsstreits für die Parteien, die Schwierigkeiten der Sachmaterie, das den Parteien zuzurechnende Verhalten vom Gericht nicht oder nur eingeschränkt beeinflussbare Tätigkeiten Dritter, so etwa das von zur Sachaufklärung hinzuzuziehenden Sachverständigen, in Rechnung zu stellen sind.

Jedenfalls verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Verpflichtung des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen. Eine Ex-Post-Betrachtung ist unzulässig, da für die Beurteilung maßgeblich ist, wie die befassten Gerichte die Sach- und Rechtslage aus ihrer aktuellen Sicht einschätzen. Zudem ist die Verfahrensführung als solche in weiten Teilen in das pflichtgemäße Ermessen der verantwortlichen Richter gestellt, deren Entscheidung über Art und Umfang der für notwendig erachteten Beweiserhebungen oder sonstigen Anordnungen zur Sachverhaltsaufklärung als die abschließende Entscheidung vorbereitende Maßnahmen vom Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB erfasst werden, sodass sich der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung nicht damit begründen lässt, dass die Erhebung überflüssiger Beweise zu einer Verzögerung geführt habe.

Auf jeden Fall ist es elementar, auf Klägerseite immer selbst optimal dazu beitragen, dass es nicht zu einer Verzögerung im Verfahren kommt und Verzögerungstrategien des Beklagten zu rügen. Wichtig ist es bei hohen Forderungen und den meisten Beklagten, dass der Kläger – sei es im Wege des Arrests – oder spätestens bei Vorlage des erstinstanzlichen Urteils durch Verlangen einer Bürgschaft den Anspruch sichern.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil vom 08.01.2010, 11 U 27/06.

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