Leitsatz (nicht amtlich)
Der Versand einer Praxisbroschüre an 30.000 potentielle Mandanten aus Wirtschaftskreisen stellt keine berufswidrige Werbung um ein Mandat im Einzelfall dar. Eine Praxisbroschüre, die moderne Elemente der Werbung wie Hochglanzpapier, Farbdruck, Fotos und Embleme verwendet, sich jedoch einer sachlich nüchternen Sprache bedient, ist nicht als reklamehaftes Werbemittel anzusehen. Der Kapitaleinsatz für eine Werbemaßnahme ist für die Beurteilung der Zulässigkeit ohne Bedeutung.
Zum Sachverhalt
Die Parteien streiten um die standes- und wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Werbung des Antragsgegners für seine Anwaltskanzlei.
Der Antragsteller ist der in L bestehende örtliche Anwaltsverein. Der Antragsgegner ist seit 1990 als Rechtsanwalt zugelassen und in L niedergelassen. In der von ihm betriebenen Kanzlei sind weitere fünf - ersichtlich jüngere - Anwälte und - als Sekretariatspersonal - sieben Damen tätig. Die Kanzlei führt die Bezeichnung DR. J und das graphisch ausgestaltete, durch Eintragung in die Markenrolle des Deutschen Patent- und Markenamtes markenrechtlich geschützte Logo DR. J ANWÄLTE.
Im Oktober 1999 hat der Antragsgegner für seine Kanzlei mit einer Praxisbroschüre geworben, indem er diese Broschüre mit einem in vielen Fällen eine persönliche Anrede des Adressaten enthaltenden Begleitschreiben an etwa 30 000 Empfänger aus Industrie, Handel und Gewerbe sowie an selbständig Tätige versandte. Der Antragsteller hat geltend gemacht, darin liege ein Verstoß gegen § 43b BRAO: Die Broschüre gehe nach Form und Inhalt über eine sachliche Information über die berufliche Tätigkeit des Antragstellers weit hinaus; es handele sich um eine eindeutig reklamehafte, Personen herausstellende Werbung. Von Bedeutung sei der aufwendige, mehrfarbige Druck auf Hochglanzpapier und die Verwendung einer größeren Anzahl farbiger Fotos. Die teilweise in reklamehafter Sprache gehaltenen Ausführungen zielten auf eine Mandatserteilung durch die angesprochenen Firmen ab. Insgesamt handele es sich um eine reklamehafte, für die gewerbliche Wirtschaft typische kommerzielle Werbemaßnahme unter erheblichem Kapitaleinsatz. Zudem handele es sich um eine auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete Werbung, da mit ihr an einen bestimmten Personenkreis - die gewerbliche Wirtschaft - herangetreten werde; es handele sich um einen Personenkreis mit vermutetem Beratungsbedarf, auch um Mandanten anderer Anwälte.
Der Antragsteller hat beantragt, dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit seiner anwaltlichen Tätigkeit gegenüber Personen, die nicht zum Mandantenkreis des Antragsgegners gehören, Kanzleibroschüren zu versenden, insbesondere wenn dies unter unaufgeforderter Übersendung von mehrfarbigen, aufwendig gestalteten Hochglanzpraxisbroschüren an Personen, die nicht zum Mandantenkreis des Antragsgegners gehören, erfolgt.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Er hat geltend gemacht, es handele sich bei der von ihm verbreiteten Broschüre nicht um eine reißerische, plakative Werbung mit Methoden der gewerblichen Wirtschaft, sondern um eine zurückhaltende sachliche Information, die gemäß § 43b BRAO zulässig sei. Eine professionelle farbige Gestaltung der Broschüre sei unbedenklich, der Kapitaleinsatz für Werbungszwecke rechtlich ohne Bedeutung. Der Antrag des Antragstellers sei im Übrigen nicht hinreichend bestimmt und zu weit gefasst; er erfasse jedenfalls auch rechtmäßiges Verhalten.
Aus den Entscheidungsgründen
Die zulässige Berufung des Antragsgegners erweist sich als begründet. § 43b BRAO geht von dem aus Art. 12 Abs. 1 GG hergeleiteten Recht des Anwalts, sich grundsätzlich mit sachbezogenen, dienstleistungsorientierten Informationen an die Öffentlichkeit zu wenden und davon aus, dass einerseits auf dem Markt der Beratungsberufe Rechtsanwälte die Möglichkeit haben müssen, sich Mandanten und potentiellen Mandanten darzustellen und dass andererseits auch bei dem rechtssuchenden Publikum ein Interesse an Information über das Angebot anwaltlicher Leistungen besteht. Vor diesem Hintergrund beabsichtigte die gesetzliche Regelung nicht "eine völlige Freigabe der Werbung, die alle Werbemethoden der gewerblichen Wirtschaft gestattete", sondern die Begrenzung der Werbung des Rechtsanwalts auf "eine Informationswerbung…, die über sein Dienstleistungsangebot sachlich informiert"; eine "gezielte Werbung um einzelne Mandate", die Werbung um "die Erteilung einzelner Mandate" sollte untersagt bleiben.
Damit stellt § 43b BRAO"erhebliche Anforderungen an die inhaltliche und formale Gestaltung der Werbung. Unzulässig sind danach alle Maßnahmen, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, am Gewinn orientierten Verhaltens sind. Die Vorschrift untersagt … alle reklamehaften, mit einem Herausstellen der eigenen Person verbundenen Werbemethoden … Dagegen lassen sich aus der...