Leitsatz
Dem BGH lag - auf Vorlage des OLG Frankfurt (ZIP 2006, 873) - ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit einer Nebenintervention zu einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage vor. Der Nebenintervenient war - vor Inkrafttreten der Änderung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG - einer durch einen anfechtungsbefugten (§ 245 AktG) Aktionär rechtzeitig (§ 246 Abs. 1 AktG) erhobenen Anfechtungsklage im Wege der streitgenössischen Nebenintervention nach §§ 66, 69 ZPO beigetreten. Der Beitritt erfolgte jedoch einerseits erst über 4 Monate nach der Hauptversammlung und 1 ½ Monate nach Veröffentlichung der Klage im elektronischen Bundesanzeiger und andererseits hatte der Nebenintervenient nicht nur versäumt, in der Hauptversammlung Widerspruch gegen den Beschluss zu Protokoll zu erklären, er hatte offenbar sogar für den Beschluss gestimmt. Landgericht und Oberlandesgericht hatten daraufhin die Nebenintervention nicht zugelassen. Dem Nebenintervenienten, der wegen der Urteilswirkung nach § 248 Abs. 1 AktG nach § 69 ZPO als Streitgenosse gelte, dürfe nach Versäumen der Klagefrist nicht auf diesem Umweg eine "zweite Chance" eingeräumt werden, gegen den Beschluss vorzugehen. Der BGH verwirft diese Auffassung und bescheinigt den Instanzgerichten, den Unterschied zwischen den prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nebenintervention und den materiellrechtlichen Anfechtungsvoraussetzungen verkannt zu haben. Die Zulässigkeit der streitgenössischen Nebenintervention als prozessualem Institut ist allein an den prozessrechtlichen Vorschriften zu messen. Danach sei allein das Interventionsinteresse maßgebend, das sich bereits aus der Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung des stattgebenden Anfechtungsurteils nach § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebe. Unter dieser Voraussetzung sei die Nebenintervention nach § 66 Abs. 2 ZPO in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Die materiellen Voraussetzungen für die Erhebung einer Anfechtungsklage gelten für die Nebenintervention nicht.
Hinweis
Die im Vordergrund stehende Rechtsfrage ist durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) seit 1.11.2005 in § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG beantwortet: Eine Nebenintervention ist nur noch innerhalb eines Monats seit Bekanntmachung der Anfechtungsklage im elektronischen Bundesanzeiger zulässig. In der Praxis spielte die Nebenintervention bis zur Entscheidung des BGH vom 18.6.2007 (II ZR 23/06) auch wegen des Kostenrisikos der Gesellschaft eine Rolle, da die Instanzgerichte der Gesellschaft im Falle des Unterliegens nach § 101 Abs. 1 ZPO auch die Kosten der Nebenintervenienten auferlegt hatten. Auch dieses Problem ist durch die zitierte Entscheidung des BGH entschärft.
Dennoch enthält die Entscheidung des BGH einige wichtige und wertvolle Hinweise: Zunächst einmal hat der BGH einiges zurechtgerückt, indem er daran erinnert hat, dass die Klagevoraussetzungen in §§ 245 ff. AktGmateriellrechtlicher Art sind, während das Institut der Nebenintervention ein prozessrechtliches Instrument ist, dessen prozessuale Zulässigkeit sich nach Prozessrecht zu richten hat. Es geht allein darum, unter welchen Voraussetzungen ein Aktionär an einer bereits von dritter Seite erhobenen Anfechtungsklage beteiligen kann, deren Ausgang auch ihn bindet. In diesem Zusammenhang hebt er hervor, dass die in § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG neu eingefügte Frist nicht etwa eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, sondern eine § 66 Abs. 2 ZPO einschränkende prozessuale Frist sei. Hilfreich ist dann aber auch sein obiter dictum, dass die Vorbesitzzeitregelung in § 245 Nr. 1 AktG ebenfalls eine materiellrechtliche Klagevoraussetzung sei, die auf den Nebenintervenienten nicht anzuwenden sei, auch wenn - wiederum in Verkennung der Unterschiede beider Rechtsinstitute - die Regierungsbegründung zum UMAG (BTDs 15/5092, S. 27) das anders zu sehen scheint.
Von besonderem Interesse aber sind die Ausführungen, wonach der Nebenintervention eine hohe Bedeutung für die Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) zukommt. Da auch die nicht beteiligten Aktionäre über § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG der Entscheidung unterworfen seien, müsse ihnen die Beteiligung an diesem Verfahren auch nach Ablauf der Klagefrist zur Gewährung rechtlichen Gehörs ermöglicht werden. Die Frage, ob diesem Maßstab die neue Frist in § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG standhält, wird sicherlich noch die Gerichte und womöglich auch das BVerfG beschäftigen.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Die Zulässigkeit der Nebenintervention zu einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage richtet sich allein nach Prozessrecht und hier insbesondere nach §§ 66, 69 ZPO; danach bedarf es lediglich eines Interventionsinteresses, das wegen der Urteilswirkung bei der Anfechtungsklage regelmäßig gegeben ist. Als lex specialis zu § 66 Abs. 2 ZPO ist nun § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG als besondere prozessrechtliche Regelung zu beachten, wonach die Nebenintervention fristgebunden und daher nicht mehr in jeder Lage des Verfahrens möglich ist; di...