Leitsatz
Das Abbrennen von nicht alltäglichen, selbst gefertigten und gefährlichen Feuerwerken zu Sylvester ist nicht als ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung zu qualifizieren.
Bei der Qualifikation als ungewöhnlich und gefährlich ist auf die Kenntnisse und Fähigkeiten der Handelnden abzustellen.
Normenkette
§ 1 AHB, Ziff. 1 BBR PHV
Sachverhalt
Der Kl. begehrt Haftpflichtversicherungsschutz aus einer bei der Bekl. abgeschlossenen Privathaftpflichtversicherung wegen eines Vorfalls in der Sylvesternacht 1996/97.
Der Kl. hatte einen Sprengstoff entwickelt und beim Bundespatentamt angemeldet. Die besonderen chemischen Eigenschaften des Sprengstoffs ermöglichen es, dass geringe Mengen auf der bloßen Handfläche mit einer hellen Stichflamme zur Explosion gebracht werden konnten. In der Sylvesternacht 1996/97 wollte er seine schon häufiger durchgeführte Demonstration auf Bitten seiner Gäste wiederholen. Als er mit einem Spatel eine geringe Menge vom Rand des Glasbehälters, in dem ein Rest des Sprengstoffs aufbewahrt war, gelöst hatte und entnehmen wollte, explodierte das Glas. Dabei wurden der Kl. und drei seiner Gäste erheblich verletzt.
Die Bekl. hält sich für leistungsfrei und beruft sich auf Ziff. 1 der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibung für die Privathaftpflichtversicherung.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.
Entscheidung
Die Bekl. ist nach der Entscheidung des OLG nach § 1 AHB zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet. Bei dem Schadenereignis zu Sylvester 1996/97 hätten sich Gefahren des alltäglichen Lebens ausgewirkt, die der Kl. als Privatperson gesetzt habe. Die in Ziff. I der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen in Parenthese gesetzten und von der Einstandspflicht des Versicherers ausgenommenen Gefahren würden entfallen. Hier würden allenfalls die Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung in Betracht gezogen werden können. Dies sei jedoch nach Überzeugung des Senats abzulehnen.
Es sei schon zweifelhaft und letztlich zu verneinen, ob die konkrete Einzelhandlung, für sich gesehen, ungewöhnlich und gefährlich sei. An deren Gefährlichkeit werde zwar kaum gezweifelt werden können. Es sei aber nicht ungewöhnlich, dass man sich auf Feiern auch leichtsinnig verhalte. Dazu gehöre gerade zu Sylvester das Abbrennen von nicht alltäglichen selbst gefertigten und gefährlichen Feuerwerken.
Darüber hinaus sei auch nicht entscheidend, ob die aktuelle schadenstiftende Handlung ungewöhnlich und gefährlich sei. Sie müsste in eine allgemeine Betätigung des Versicherten eingeordnet werden können, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich sei (BGH, r+s 96, 129 = VersR 96, 495; 81, 271).
Entgegen der Auffassung des LG und der Bekl. sei diese allgemeine Tätigkeit nicht das Herstellen, Lagern und Abbrennen hochbrisanten Sprengstoffs in einem Wohnhaus. Bei einer solchen Wertung würden die zwar zeitlich aufeinander folgenden Tätigkeiten unzulässig zu einer allgemeinen Beschäftigung zusammengefasst. Die Gefahren einer Tätigkeit wirkten sich auf die Vornahme der nächsten nicht aus. So seien die Gefahren des Herstellungsprozesses mit der Fertigstellung abgeschlossen, die der Lagerung hätten sich bei dem Abbrand nicht mehr ausgewirkt. Weiter bedinge auch nicht eine Tätigkeit die andere. Die Herstellung beziehe nicht unbedingt Lagerung und Abbrand nach sich. Abbrand setze vorherige Herstellung und Lagerung durch den Handelnden nicht voraus.
Letztlich handele es sich bei der Auffassung des LG um eine unzulässige Verknüpfung konkreter Einzelhandlungen zu einer Beschäftigung, die ihrerseits zu einzelfallbezogen geblieben sei und nicht auf eine allgemeine, gleichsam übergeordnete Beschäftigung abstelle. Als solche würde der Umgang mit Sprengstoff gesehen werden können. Dieser möge gefährlich sein, sei aber nicht ungewöhnlich, wie die häufigere Anwendung im Arbeitsleben oder eben auch bei Feuerwerken beweise.
Außerdem sei bei der Qualifikation als ungewöhnlich und gefährlich auf die Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelnden abzustellen. Der Kl. habe hier nicht unerhebliche chemische Kenntnisse gehabt, wie aus seiner Patentanmeldung folge. Dann aber seien chemische Experimente auch Herstellung explosiver Materialien und deren Lagerung im Keller eines Hauses, wenn es sich um kleinere Mengen handele, möglicherweise gefährlich, aber wohl kaum so selten, dass sie als ungewöhnlich eingestuft werden könnten. Das Abbrennen allein reiche als punktuelles Ereignis nicht aus, die Gesamttätigkeit, wenn man hier entgegen der Auffassung des Senats der Meinung des LG folgen sollte, als ungewöhnlich und gefährlich zu bezeichnen. Im Übrigen sei das bewusste Verbrennen kleinerer Mengen explosiver Stoffe im Rahmen eines chemischen Experiments nicht ungewöhnlich.
Der Senat sei damit der Auffassung, dass weder die konkrete Einzelhandlung als ungewöhnlich einzustufen noch in den Rahmen einer übergeordneten Gesamttätigkeit einzuordnen ist, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist.
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