Leitsatz
Artikel 5 Absatz 1 der 6. EG- RL: Einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt.
Normenkette
Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-RL , § 3 Abs. 1 UStG
Sachverhalt
Klägerin war ein Kfz-Leasingunternehmen mit Sitz in den Niederlanden. Der Leasingnehmer konnte im Namen und für Rechnung der Klägerin (mit deren Kreditkarte und einem Tankpass) tanken; erst am Jahresende wurde genau abgerechnet. Die Klägerin, die die gesamten Leasingleistungen einschließlich der Kraftstoffkosten in den Niederlanden versteuerte, begehrte erfolglos die Vergütung der vom deutschen FA für die Kraftstofflieferungen erhobenen Umsatzsteuer.
Entscheidung
Nach Auffassung des EuGH war der Leasingnehmer befugt, über den Kraftstoff so zu verfügen, als wäre er der Eigentümer, weil er ihn unmittelbar von den Tankstellen erhält und die Klägerin zu keiner Zeit darüber entscheiden konnte und wollte, wie und wozu der Kraftstoff zu verwenden war.
Die Lieferungen seien nur vordergründig auf Kosten der Klägerin erfolgt. Der Leasingnehmer komme für den am Jahresende abgerechneten tatsächlichen Verbrauch auf und trage daher die Kosten der Lieferung in voller Höhe. Die Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung sei letztlich kein Vertrag über Kraftstofflieferung, sondern vielmehr ein Vertrag über die Finanzierung des Kraftstoffbezugs.
Hinweis
Die vorliegende Entscheidung betrifft die Auslegung des Begriffs der Lieferung.
Der BFH hatte mit Beschluss vom 22.2.2001, V R 26/00 (BFH-PR 2001, 229) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Auto im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, eine Treibstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt und, wenn ja, ob diese Lieferung an dem in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der 6. EG- RL (entspricht § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG) genannten Lieferort zu versteuern ist, oder ob die Weiterlieferung in der Dienstleistung des Leasinggebers aufgeht?
Vorfrage war, wem die Tankstelle das Benzin liefert, wenn der Leasingnehmer das Benzin durch Vorlage eines Tankpasses und einer auf den Namen des Leasinggebers lautenden Kreditkarte für Rechnung des Leasinggebers getankt hat. Davon war der BFH mit Rücksicht auf das EuGH-Urteil vom 8.3.1988, Rs. 165/85"Intiem" (Slg. 1988, 1471) ausgegangen. Dort hatte der EuGH eine Lieferung an den Arbeitgeber bejaht, wenn der Arbeitnehmer sein Auto unter Hinweis auf eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber (A) und Tankstelle für Rechnung des A bei der Tankstelle betankt und das Benzin ausschließlich für geschäftliche Zwecke des A verwandte.
Der EuGH sah das für diesen Fall anders.
Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen (Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-RL (vergl. § 3 Abs. 1 UStG). Beachten Sie: Der Begriff Lieferung eines Gegenstands umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer; er bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen.
Wären die – u. U. unterschiedlichen – nationalen zivilrechtlichen Formen der Eigentumsübertragung allein entscheidend, wäre – so der EuGH – der Zweck der 6. EG-RL gefährdet. Von diesem Ausgangspunkt ausgehend beurteilt der EuGH den ganzen Sachverhaltskomplex: Das Tanken an der Tankstelle unter Einbeziehung der Vereinbarungen zwischen Tankstellen bzw. Kreditinstitut und Leasinggeber sowie zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 6.2.2003, Rs. C-185/01 – Auto Lease Holland BV –