Zusammenfassung
In M&A-Transaktionen können Produkthaftungsrisiken zu erheblichen finanziellen Belastungen führen. Ein umfassendes Verständnis dieser Risiken und eine entsprechende Risikobewertung sind daher unerlässlich. Der Beitrag beleuchtet, wie im Rahmen von M&A-Transaktionen mit Produkthaftungsrisiken umgegangen werden kann.
Welche Risiken drohen mit der Produkthaftungsrichtlinie?
Produkthaftungsrichtlinienentwurf
Am 28.9.2022 wurde der Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie vorgestellt (Produkthaftungs-RL). Diese sieht strengere Regelungen für Hersteller, Quasi-Hersteller, Importeure, Bevollmächtigte, Fulfillment-Dienstleister, Einzelhändler und Betreiber von Online-Marktplätzen im europäischen Wirtschaftsraum vor. Eine tiefergehende Einführung finden Sie im Beitrag von André Depping und Katharina Pöhls.
Erweiterter Anwendungsbereich
Die neue Richtlinie sieht die Erweiterung des Anwendungsbereichs in persönlicher und sachlicher Hinsicht vor und zieht die Daumenschrauben für Unternehmer merkbar fester an.
Gemäß der derzeitigen Richtlinie können nur Hersteller, Quasi-Hersteller und Importeure im europäischen Wirtschaftsraum ohne Verschulden für fehlerhafte Produkte haftbar gemacht werden. Der neue Entwurf erweitert den Kreis der potenziellen Beklagten zusätzlich auf Bevollmächtigte des Herstellers, Fulfillment-Dienstleister sowie Einzelhändler und unter bestimmten Voraussetzungen sogar auf Betreiber von Online-Marktplätzen. Unternehmen, die ein Produkt wesentlich verändern, sollen ebenfalls haften, wenn das veränderte Produkt fehlerhaft ist und einen Schaden verursacht. Die Verjährungsfrist beginnt in diesem Fall erneut.
Auch der sachliche Anwendungsbereich wurde erweitert und umfasst nun auch Software und digitale Produktionsdateien wie beispielsweise Daten für 3D-Drucker. Dabei werden nicht nur Endprodukte erfasst, sondern auch Produkte, die in ein anderes Produkt integriert sind (bspw. Navigationssysteme).
Fehlerhaftigkeit und digitale Komponenten
Zudem sollen Produkte als fehlerhaft gelten, wenn diese nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit entsprechen. Deshalb sollen künftig die Anforderungen des Produktsicherheitsrechts stärker berücksichtigt werden, um die Fehlerhaftigkeit eines Produkts zu bestimmen. Verstärkt in den Fokus gerät der Aspekt der Cybersicherheit mit entsprechenden Folgen etwaiger Software-Updates.
Anknüpfungszeitpunkt
Der Entwurf sieht auch gleichzeitig einen veränderten Anknüpfungszeitpunkt für die Produkthaftung vor. Künftig ist nicht mehr das Inverkehrbringen allein wesentlich, sondern die Möglichkeit der Kontrolle des in Verkehr gebrachten Produkts. Somit entsteht insbesondere eine Verzahnung mit entsprechenden Überwachungs- und Instandhaltungspflichten. Auf diese muss im M&A-Prozess besondere Rücksicht im Rahmen der Due-Diligence achtgenommen werden.
Beweiserleichterungen und Offenlegungen
Zudem wurden auch die Beweiserleichterungen erweitert, um Geschädigten in Form von Vermutungsregelungen zu helfen, wenn eine offensichtliche Fehlfunktion des Produkts bei normalem Gebrauch vorliegt. Des Weiteren wird eine Offenlegungspflicht von Beweismitteln eingeführt, welche der Kläger zur Durchsetzung seines Anspruchs benötigt, wie beispielsweise Konstruktionsunterlagen oder die Dokumentation der Überwachung der in Verkehr gebrachten Produkte.
Ausweitung des ersatzfähigen Schadens
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Entwurfs ist die Ausweitung des ersatzfähigen Schadens auf Verlust und Verfälschung von Daten sowie die Streichung von Selbsterhalt- und Haftungshöchstgrenzen. Haftungsausschlüsse bei digitalen Produkten sollen eingeschränkt werden, insbesondere, wenn ein Fehler beim Inverkehrbringen später durch Software-Updates behoben werden könnte.
Welche Absicherungsinstrumente gibt es?
Die Produkthaftung kann aufgrund der Höhe der zu ersetzenden Schäden und der Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens eine bedeutende Rolle spielen, insbesondere in der Automobil- und Genuss- und Lebensmittelindustrie. Das Risiko ist dabei äußerst branchenspezifisch, produkt- und standortabhängig.
Nicht zu unterschätzen dürfte ebenso der durch die Produkthaftungs-RL zunehmend in den Blick geratene digitale Sektor sein. Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten dargestellt, die eine Absicherung von etwaigen produkthaftungsrechtlichen Ansprüchen bei einer M&A-Transaktion bieten.
Regelungen im Kaufvertrag (Share Purchase Agreement)
Im Unternehmenskaufvertrag sind die Gewährleistungen bzw. Garantien (im folgenden nur Gewährleistungen) des Verkäufers (Representations & Warranties) zentrale Bestandteile und damit auch häufig Mittelpunkt von Verhandlungen. Dabei sind die Interessengrundsätze im Wesentlichen klar: Während der Verkäufer ein Interesse an möglichst wenigen Gewährleistungen hat, hat der Käufer auf der anderen Seite ein Interesse daran, für möglichst viele Umstände eine Gewährleistung des Verkäufers zu erlangen, sodass sich der Käufer hinsichtlich nicht offengelegter Risiken an...