Leitsatz
Zu einem erbrechtlichen Fall wird ein Fall dadurch, dass er sich schwerpunktmäßig auf einen der in § 14 f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche des Erbrechts bezieht. Erbschaftsteuererklärungen fallen nicht unter den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens im Erbrecht.
Wenn sich einem Rechtsanwalt in unterschiedlichen Fällen wiederholt dieselben erbrechtlichen Fragen stellen, so kann dies gem. § 5 S. 2 FAO in der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung zwar zu einer Mindergewichtung der Wiederholungsfälle führen, nicht aber dazu, dass diese Fälle von vornherein nicht mehr als erbrechtliche Fälle anzusehen wären.
Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine seit 1982 zugelassenen Rechtsanwältin, beantragte 2006 die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Erbrecht, was die Antragsgegnerin zurückwies. Nunmehr wendet sich die Antragstellerin erfolglos mit der zugelassenen sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des AHG, die gerichtliche Klärung nicht zuzulassen.
Entscheidung
Obwohl die Antragstellerin die erforderlichen theoretischen Kenntnisse im Erbrecht nachgewiesen hat, erfüllt sie nicht die Voraussetzungen der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Erbrecht (§§ 1, 2 Abs. 1 FAO). Sie hat nicht nachgewiesen, mindestens 10 rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit bearbeitet zu haben i.S.d. § 5 S. 1 FAO (Fassung v. 01.07.2005), die sich auf die in § 14 f Nr. 1 bis 5 FAO genannten Fälle beziehen.
Ein "Fall" nach § 5 S. 1 FAO ist jede juristische Aufarbeitung eines einheitlichen Lebenssachverhalts, der sich von anderen Lebenssachverhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachen und die Beteiligten verschieden sind. "Erbrechtlich" wird ein Fall dadurch, dass er sich auf die in § 14 f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche des Erbrechts bezieht. Die ist dann der Fall, wenn der Schwerpunkt der Bearbeitung in einem dieser Bereiche liegt, wozu es genügt, dass eine Frage aus diesem Fachgebiet erheblich ist oder werden kann.
Fälle aus den in § 14 f FAO genannten Rechtsgebieten außerhalb des Erbrechts können nur als erbrechtliche Fälle anerkannt werden, wenn bei ihnen auch erbrechtliche Fragen für die argumentative Auseinandersetzung "eine Rolle spielen", d.h. der Fall muss einen Bearbeitungsschwerpunkt aus dem Erbrecht enthalten. Die hierzu erforderliche wertende Beurteilung eines Falles kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen.
Nach § 5 S. 1 b) FAO gelten für das Steuerrecht nur Einspruchs- und Klageverfahren als "rechtsförmliche Verfahren"; mithin fallen Erbschaftsteuererklärungen nicht unter diesen Begriff, obwohl sie als erbrechtlicher Fall nach § 5 S. 1 m i.V.m. § 14 f Nr. 5 FAO anzuerkennen sein können.
Der Begriff des "rechtsförmlichen Verfahrens" wird in § 5 S. 1 FAO nicht einheitlich verwendet. Für Buchstabe m) bedeutet dies, dass - abgesehen von Erbschaftsteuererklärungen - grundsätzlich auch (nicht streitige) Verwaltungsverfahren unter den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens im Fachgebiet Erbrecht fallen können. Ob erforderlich ist, dass das Verfahren durch eine Verfahrensordnung geregelt ist, bedarf hier keiner Klärung.
Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin die erforderlichen zehn Fälle auf diesem Gebiet nicht bearbeitet hat. So weisen diverse Fälle nur einen erbrechtlichen Aspekt, und zwar die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 Abs. 1 BGB nach Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des Erblassers auf. Dies stellt zwar einen hinreichenden Bezug zum Erbrecht nach dar. Da es sich aber im Wesentlichen um die gleich gelagerte Problematik handelt, ist bei der Gewichtung des Bearbeitungsschwerpunktes der Fälle eine erhebliche Mindergewichtung hinsichtlich des Erbrechts vorzunehmen. Dies ist vorliegend geboten und auch nach § 5 S. 2 FAO a.F. zulässig, was nun in § 5 S. 3 FAO klargestellt wurde. Von all diesen Fällen ist daher nur ein Fall als erbrechtlicher Fall voll anzurechnen.
Auch diverse andere Fällen konnten nicht anerkannt werden. Zwei Fälle scheiden als Erbschaftsteuererklärungen bereits von vornherein aus.
Einem Antrag auf Witwenrente fehlt der erbrechtliche Bezug, da solcher Anspruch nicht von Erbrecht der Witwe anhängig ist. Auch ein Antrag auf Löschung des für den Erblasser im österreichischen Grundbuch eingetragenen Wohnrechts wirft keine hinreichende erbrechtliche Frage auf.
Auch sozialrechtliche Rückforderungsansprüche nach § 118 Abs. 4 SGB VI weisen nur dann den erforderlichen erbrechtlichen Bezug auf, wenn sich gegen den/die Erben richten und nicht wie vorliegend gegen Dritte.
Nicht anzuerkennen waren drei weitere Fälle, bei denen es sich um die Zurückweisung von Zustellungen von Feststellungsbescheiden handelte. Diese Materie weist zunächst keinen eigenständigen erbrechtlichen Bezug auf; zudem beziehen sich zwei Fälle auf bereits anerkannte Lebenssachverhalte.
Ebenso können einige weitere rechtsförmliche Verfahren nicht mit mehr als 0,2 gewichte...