Leitsatz (nicht amtlich):

Die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Belastung von Familien im Zusammenhang mit der Erhöhung der Umsatzsteuer zum 1.4.1998 erfordert die Ausschöpfung des Finanzrechtswegs.

 

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip. Die Erhöhung des Umsatzsteuerregelsatzes zum 1.4.1998 führe zu einer materiellen Belastung der Endverbraucher, die sich für die Beschwerdeführer auf mindestens 40 DM bis 45 DM pro Monat belaufe. Die neuerliche Erhöhung des Umsatzsteuerregelsatzes, die die erdrosselnde Wirkung des staatlichen Abgabensystems in seiner Gesamtheit für die Familien mit mehr als einem Kind verschärfe, verstoße gegen das Übermaßverbot und gegen das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Die relative Einkommensposition von Familien mit mehreren Kindern im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren werde deutlich verschlechtert, was mit dem Benachteiligungsverbot einerseits und dem umfassenden Fördergebot des Art. 6 GG andererseits unvereinbar sei und zudem dem Verfassungsauftrag des Familienurteils des BVerfG vom 7.7.1992[1] widerspreche. Als Konsumsteuer wirke die Umsatzsteuer zudem regressiv und verletze das Gebot der Bemessung der Abgabenlast nach der Leistungsfähigkeit. Da bei einer Familie mit mehreren Kindern der unvermeidbare Konsumanteil an der Einkommensverwendung zwangsläufig größer sei, seien die Beschwerdeführer bei gleichem Nettoeinkommen und gleichen Konsumausgaben mehr als doppelt so hart von der Erhöhung des Umsatzsteuerregelsatzes betroffen wie ein kinderloses Ehepaar. Als Folge der Erhöhung des Umsatzsteuerregelsatzes sei der Gesetzgeber zumindest dazu verpflichtet gewesen, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und das Kindergeld anzupassen. Die staatliche Abgabenlast, die ohnehin längst die verfassungsrechtlich noch tolerable Grenze überschritten habe, sei mit der "Halbteilungsgrenze" nicht mehr vereinbar. Der Gesetzgeber habe zudem das einkommensteuerliche Familienexistenzminimum unrichtig berechnet, die Eltern schuldeten ihren Kindern nicht nur materiellen Unterhalt, sondern auch Betreuungsunterhalt, der jedoch bei der Berechnung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes keine Berücksichtigung finde. Die Umsatzsteuerbelastung müsse bei der Bestimmung des einkommensteuerrechtlichen Grundfreibetrags zum einen bei der Berechnung des Mindestbedarfs berücksichtigt werden, zum anderen müsse der Grundfreibetrag um den Betrag erhöht werden, welcher der durchschnittlichen Umsatzsteuerbelastung des Existenzminimums entspreche.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Ansicht des BVerfG lagen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde[2] aus folgenden Gründen nicht vor.

  1. Die Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin war unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß erhoben worden ist. Hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde der übrigen Beschwerdeführer bestehen zwar erhebliche Zweifel, ob die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, da die Beschwerdeführer bisher nicht um Rechtsschutz vor den Fachgerichten nachgesucht haben. Der Verfassungsbeschwerde kommt jedenfalls keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu[3].

    Diese ist nur gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt ist. An ihrer Klärung muss zudem ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse bestehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sie für eine nicht unerhebliche Anzahl von Streitigkeiten bedeutsam ist oder ein Problem von einigem Gewicht betrifft, das in künftigen Fällen erneut Bedeutung erlangen kann. Bei der Prüfung der Annahme muss bereits absehbar sein, dass sich das BVerfG bei seiner Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde mit der Grundsatzfrage befassen muss. Kommt es auf sie hingegen nicht entscheidungserheblich an, ist eine Annahme nach § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG nicht geboten[4].

    Die hier in der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind, soweit sie die Frage der Familienbesteuerung, der Berechnung des sachlichen Kinderexistenzmiminimums und der einkommensteuerlichen Berücksichtigung des Betreuungs- und des Erziehungsbedarfs betreffen, durch die Beschlüsse des Zweiten Senats des BVerfG vom 10.11.1998[5] geklärt. Gleiches gilt, soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die finanzielle Belastung der Mehrkinderfamilie durch die Umsatzsteuer verstoße gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und sei mit dem Benachteiligungsverbot bzw. dem Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. Auch diese Frage ist durch die vorgenannten Entscheidungen geklärt; Art. 6 Abs. 1 GG gebietet, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen. Das soz...

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