Leitsatz
Die Absicherung des überlebenden Ehegatten rechtfertigt nur dann die Einschränkung des Pflichtteilsrechts, wenn diese in einer Weise sittlich geboten war, dass ein Unterlassen der Zuwendung dem Erblasser als Verletzung einer für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre. Verschenkt der Erblasser eine Immobilie, bleibt bei dem vorzunehmenden Wertvergleich (zum Zeitpunkt der Schenkung und zum Todeszeitpunkt) ein etwa vorbehaltenes Nutzungsrecht zunächst außer Betracht.
Sachverhalt
Der nichteheliche Sohn des Erblassers macht gegenüber dessen Ehefrau Erbersatz- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Parteien streiten um den Umfang der ausgleichspflichtigen Zuwendungen. Dabei handelt es sich um die Schenkung eines Forstgutes an die Schwester des Erblassers, Zuwendungen der Bezugsberechtigung aus zwei Lebensversicherungen an die Ehefrau und die Schwester und die Beteiligung an Baukosten für ein Wohnhaus der Ehefrau.
Entscheidung
Die Zahlungen für den Hausbau und die Prämienzahlungen der letzten zehn Jahre auf die der Ehefrau zugewandte Lebensversicherung sind in vollem Umfang als Schenkungen in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches einzubeziehen, weil sich die Parteien in einer Teilvergleichsvereinbarung, die der Erfüllung des Auskunftsanspruchs des Sohnes diente, bereits darauf geeinigt haben.
Diese Schenkungen des Erblassers sind auch nicht als einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechend nach § 2330 BGB der Pflichtteilsergänzung entzogen. "Anstandsschenkungen" in diesem Sinne sind lediglich kleinere Zuwendungen, nicht jedoch die Beteiligung an den Baukosten in Höhe von über 200.000 € oder die mit 70.000 € zu bewertende Zuwendung aus der Lebensversicherung. Die Schenkungen waren auch nicht aus sittlicher Pflicht geboten. Auch wenn die Ehefrau im Vergleich zum Erblasser lediglich über bescheidene Einkünfte verfügte, so hatte sie ein Hofgut von ihren Eltern nebst aufstehendem Wohnhaus übernommen. Zudem konnte der Erblasser davon ausgehen, dass der Ehefrau im Falle seines Todes ein nicht unerhebliches Vermögen zufallen würde, so dass ihr zumindest ihr Pflichtteils- und ihr Pflichtteilsergänzungsanspruch zur Absicherung verbliebe.
Bei der Bewertung des verschenkten Forstgutes war die durch den Erblasser veranlasste Rückpacht nicht wertmindernd zu berücksichtigen. Es war der niedrigere Wert zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers für die Berechung des Pflichtteils zu berücksichtigen. Die Pachtnutzung ist jedoch mit dem Tod des Erblassers erloschen. Um die Werte bei verschenkten Immobilien zum Zeitpunkt der Schenkung und des Todes vergleichbar zu machen, ist der Wert im Zeitpunkt der Zuwendung mit Hilfe des allgemeinen Verbraucherpreisindexes auf die Wertverhältnisse zur Zeit des Erbfalls umzurechnen.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Urteil vom 13.07.2006, 7 U 1801/05