Leitsatz
Die Wendung "… ich möchte zum nächstmöglichen Termin meine Kfz-Vollkasko-Versicherung kündigen …" stellt in der Regel keinen Antrag auf Aufhebung des Versicherungsvertrages zu einem vom Versicherer zu wählenden Zeitpunkt dar.
Normenkette
§ 133 BGB, § 147 BGB, § 150 BGB, § 4 AKB
Sachverhalt
Die Kl. verlangte von der Bekl. aus einer Fahrzeugvollversicherung Entschädigungsleistung für ihren in der Nacht vom 21./22.5.1996 gestohlenen Pkw. Die Bekl., die eine Entwendung des Pkw bestritten hat, verweigerte die Leistung, weil der Versicherungsvertrag bei Eintritt des Versicherungsfalls bereits beendet gewesen sei.
Mit Schreiben vom 24.2.1996 hatte die Kl. der Bekl. mitgeteilt: "… ich möchte zum nächstmöglichen Termin meine Kfz-Vollkaskoversicherung kündigen. Ich bitte um Bestätigung." Die Bekl. fertigte am 10.5.1996 einen Nachtragsversicherungsschein aus, in dem als Grund der Ausfertigung "Ausschluss der Fahrzeugteilversicherung" und als Änderungsbeginn der 1.3.1996 angegeben war; unter dem Stichwort "Versicherungsumfang" war nur noch die Kfz-Haftpflichtversicherung aufgeführt.
Das LG und das OLG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidung
1.Nach den Ausführungen des BGH nimmt das Berufungsgericht (BG) an, der Vertrag über die Fahrzeugvollversicherung sei von den Parteien noch vor Eintritt des behaupteten Versicherungsfalls aufgehoben worden. Das Schreiben der Kl. vom 24.2.1996, mit dem sie zum nächstmöglichen Termin gekündigt habe, enthalte einen Antrag auf Vertragsaufhebung. Aus ihm gehe hervor, dass die Kündigung ausschließlich auf den nächstmöglichen vertraglich vorgesehenen Beendigungstermin habe erfolgen sollen. Das Angebot habe die Bekl. mit ihrer Erklärung vom 10.05.1996 (Nachversicherungsschein) nicht mehr rechtzeitig angenommen (§ 147 Abs. 2 BGB). Die Erklärung vom 10.5.1996 stelle deshalb ein neues Angebot der Bekl. dar (§ 150 Abs. 1 BGB). Dieses Angebot der Bekl., den Vertrag rückwirkend zum 1.3.1996 aufzuheben, habe die Kl. stillschweigend angenommen. Sie sei nämlich nach Zugang des Nachtragsversicherungsscheins, der in der ersten Maiwoche erfolgt sei, verpflichtet gewesen, einen vom Angebot abweichenden Willen gegenüber der Bekl. kundzutun. Diese Verpflichtung ergebe sich aus ihrem im Kündigungsschreiben zum Ausdruck gebrachten Wunsch, den Versicherungsvertrag baldmöglichst aufzuheben. Ihr Schweigen auf das Angebot der Bekl. sei deshalb ausnahmsweise als dessen Annahme zu werten.
2.Dies hält nach der Entscheidung des BGH rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a)Dem BG sei schon in seiner Auslegung des Schreibens der Kl. vom 24.2.1996, es enthalte ein Angebot zur Aufhebung des Versicherungsvertrages, nicht zu folgen. Diese Auslegung berücksichtige den Wortlaut der Erklärung nicht ausreichend, sie nehme vor allem die dem Erklärungsempfänger - der Bekl. - erkennbare Interessenlage nicht in den Blick. Habe der Tatrichter bei seiner Auslegung aber nicht alle maßgeblichen Umstände umfassend gewürdigt, seien sie für das Revisionsgericht nicht bindend; da zudem zur Frage der Auslegung weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen seien, habe der Senat die Erklärung selbst auslegen können.
aa) |
Das BG habe bei seiner Auslegung der Erklärung zwar gesehen, dass dem Kl. mit dem Versicherungsvertrag ein Kündigungsrecht eingeräumt worden sei, dessen Ausübung auch ohne Aufhebungsvereinbarung zu einer Beendigung des Versicherungsverhältnisses führen konnte. Es habe sich indessen mit dem Inhalt des Rechts, den danach abzugebenden Erklärungen nicht näher auseinandergesetzt und schon damit für die Auslegung der Erklärung wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht gelassen. Nach der vertraglichen Kündigungsregelung verlängere sich der zwischen den Parteien für die Dauer von zunächst einem Jahr geschlossene Vertrag nur dann und so lange um jeweils ein weiteres Jahr, wenn er nicht spätestens drei Monate vor Ablauf "gekündigt" worden ist. Gerade den Begriff der Kündigung habe die Kl. in ihrer Erklärung gebraucht. Schon dies habe für den Empfänger der Erklärung auf eine Vertragsbeendigung nach Maßgabe der hier vereinbarten Bedingungen gedeutet, also nicht durch Vertragsaufhebung, vielmehr durch Kündigung zum 31.12.1996 hin. Zwar komme hinzu, dass die Kl. nicht diesen Zeitpunkt genannt, vielmehr eine Kündigung zum "nächstmöglichen Termin" erklärt habe. Das stehe der Auslegung der Erklärung i. S. einer vertragsmäßigen Beendigung des Versicherungsverhältnisses aber hier nicht entgegen, weil diese Wendung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Begriff Kündigung gebraucht worden sei. Deshalb stelle der "nächstmögliche" Termin hier den vertragsgemäßen Beendigungstermin dar. |
bb) |
Das BG habe zudem bei seiner Auslegung die auch dem objektiven Erklärungsempfänger erkennbare Interessenlage des VN unberücksichtigt gelassen. Dessen Interesse entspreche es regelmäßig nicht, zu einem beliebigen, vom Vertragspartner frei wählbaren, ihm selbst aber noch unbekannten Zeitpunkt den ... |