Leitsatz
Werden Bilanzen nach Ablauf der handelsrechtlichen Bilanzierungsfristen verspätet, aber noch vor Eintritt des wirtschaftlichen Zusammenbruchs eines Unternehmens aufgestellt, so macht sich der Verantwortliche nicht wegen Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB) strafbar.
Sachverhalt
Die Angeklagten waren Geschäftsführer der X-GmbH. Der Jahresabschluss des Unternehmens für das Jahr 1994 wurde am 12.12.1995, der für 1996 am 5.11.1997 erstellt. Das Amtsgericht verurteilte die Geschäftsführer unter anderem wegen Verletzung der Buchführungspflicht zu einer Geldstrafe. Das Landgericht hob diese Verurteilung auf und sprach die Angeklagten insoweit frei. Das BayObLG hat diese Entscheidung bestätigt.
Entscheidung
Das Gericht stellt zunächst fest, dass die objektive Bedingung der Strafbarkeit im vorliegenden Fall gegeben ist: Buchführungs- und Bilanzdelikte können nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet bzw. der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist. Allerdings fordert die Rechtsprechung bei § 283b StGB einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen diesen Delikten und dem Unternehmenszusammenbruch. In diesem Zeitpunkt müssen noch irgendwelche Auswirkungen der früheren Verfehlung erkennbar sein. Fehlt ein derartiger tatsächlicher Zusammenhang, ist der Verstoß gegen Bilanzierungsfristen nicht strafbar. Ein solcher Konnex ist dann nicht gegeben, wenn die Bilanz noch vor Eintritt der Strafbarkeitsbedingung nachgeholt wird.
Praxishinweis
Ausdrückliche Bestimmungen über Bilanzierungsfristen existieren lediglich für Kapitalgesellschaften. Je nach Größe müssen diese binnen drei oder sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres Bilanz ziehen und den Jahresabschluss nebst Anhang vorlegen. § 264 HGB bestimmt als generelle Frist den Drei-Monats-Zeitraum; lediglich die kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB darf sich für ihre Abschlussarbeiten bis zu sechs Monaten Zeit nehmen. Zur Festlegung der Frist im Einzelfall bestimmt § 267 HGB drei Größenklassen, die zu einer Einteilung von Unternehmen in kleine, mittelgroße und große Gesellschaften führen. Für die einzelne Größenklasse sind die Merkmale Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl maßgebend.
Nicht in allen Fällen führt ein Verstoß gegen Buchführungspflichten, dem später ein Unternehmenszusammenbruch folgt, zu einer Bestrafung nach § 283b StGB. Zwar ist nicht erforderlich, dass die Insolvenz kausal aus dem Pflichtenverstoß resultiert. Notwendigerweise muss aber – worauf das BayObLG nochmals hinweist – ein tatsächlicher und zeitlicher Zusammenhang vorliegen. Angesichts des Deliktscharakters wird eine solche Konnexität regelmäßig vermutet. Um den Beschuldigten von Strafe verschonen zu können, muss die Verbindung jeweils positiv ausgeschlossen werden; verbleibende Zweifel gehen stets zu Lasten des Täters. Soweit der Unternehmer beispielsweise Jahre vor Insolvenzeröffnung keine Bilanz erstellt, dies aber nachholt, besteht kein Strafbedürfnis. Seine Verfehlung wirkt sich zum Zeitpunkt des Eintritts der objektiven Bedingung der Strafbarkeit ersichtlich nicht mehr aus. Die für eine Bestrafung notwendige Auswirkung des Pflichtenverstoßes wird andererseits auch dann deutlich, wenn der Täter zwar die Jahresabschlüsse nachträglich erstellt, bei rechtzeitiger Erstellung aber schon früher auf die wirtschaftliche Schieflage hingewiesen worden wäre und gegebenenfalls noch hätte Gegenmaßnahmen ergreifen können. Bei der Prüfung der Frage, ob Bilanzierungsmängel nach § 283b StGB strafbar sind oder nicht, muss man daher stets die Umstände des konkreten Einzelfalls prüfen. Kommt es dagegen zu Bilanzierungsmängeln in der Unternehmenskrise selbst, ist eine solche Prüfung nicht erforderlich. Hier greift die engere Bestimmung des § 283 Abs. 1 Nr. 7 StGB.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Urteil vom 08.08.2002, 5St RR 202/02