Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Umlage von Wohngeldrückständen eines zahlungsunfähigen Eigentümers gem. § 16 Abs. 2 WEG durch Beschluss
- Soll-Positionen haben in einer Jahresabrechnung grundsätzlich keinen Platz; Forderung ist keine tatsächliche Ausgabe
Normenkette
(§§ 16 Abs. 2, 21 Abs. 3, 21 Abs. 5 Nr. 2, 28 Abs. 1 und 3 WEG)
Kommentar
1. Bei einem Wechsel im Wohnungseigentum während eines rechtshängigen WE-Verfahrens dauert die Verfahrensführungsbefugnis des früheren Wohnungseigentümers fort (analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, NJW 2001, 3339); dies gilt auch bei einer Eigentumsübertragung durch staatlichen Hoheitsakt, z.B. dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung. Eine fortbestehende Verfahrensführungsbefugnis kann ferner auch darauf gestützt werden, dass ein Antragsteller auch nach Ausscheiden aus der Gemeinschaft im Allgemeinen an deren früher getroffene Beschlüsse gebunden und damit berechtigt bleibt, das Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG weiter zu betreiben.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind in einer Jahresgesamtabrechnung alle tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben einzustellen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie zu Recht getätigt worden sind (vgl. BayObLG, ZMR 2001, 907; jüngst Demharter, ZWE 2001, 585). Auch unberechtigt vom Verwalter getätigte Ausgaben müssen in einer Jahresabrechnung erscheinen, damit das Rechenwerk stimmig ist. Außerdem wird den Eigentümern auf diese Weise ermöglicht, im Rahmen eines etwaigen Beschlusses über die Entlastung des Verwalters zu entscheiden, ob sie diese Ausgaben billigen oder vom Verwalter zurückverlagen wollen; eine solche Entscheidung würde erschwert oder u.U. unmöglich gemacht, wenn derartige Ausgaben in der Gesamtabrechnung gar nicht zu erscheinen hätten.
3. Die Position "Forderungen gegen einen zahlungssäumigen Eigentümer/Umlage zur Deckung des Wohngeldausfalls" stellt nur eine Forderung dar und keine tatsächliche Ausgabe, die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr getätigt wurde; insoweit hat diese Einzelposition in der Gesamtabrechnung keinen Bestand. Zwar ist es Wohnungseigentümern unbenommen, eine durch einen Wohngeldrückstand entstandene Deckungslücke zu schließen; dazu können sie eine Sonderumlage beschließen, den Posten im Jahreswirtschaftsplan ausweisen und im Rahmen von Wohngeldvorschüssen auf die Gesamtheit der Wohnungseigentümer einschließlich des ausgefallenen Wohngeldschuldners nach dem Maßstab des § 16 Abs. 2 WEG umlegen (vgl. BGHZ 108, 44/47). Die Pflicht des Wohngeldschuldners, seinen Rückstand zu bezahlen, wird durch eine solche Umlage nicht berührt. Allein die Einstellung der Forderung in die Jahresabrechnung und eine positive Beschlussfassung darüber schaffen noch keinen zusätzlichen Ausgabeposten.
4. Ist nur eine einzelne Position in einer Abrechnung mangelhaft, ist der Abrechnungsgenehmigungsbeschluss nicht insgesamt für ungültig zu erklären, sondern nur hinsichtlich eines solchen mangelhaften selbstständigen Einzelpostens (h.M.).
5. Die Teilungültigkeit des Jahresabrechnungsenehmigungsbeschlusses hat auch zur Folge, dass der Beschluss über die Entlastung des Verwalters – insgesamt – für ungültig zu erklären ist (h.M.). Dabei muss sich der Senat nicht mit der Frage der vom Verwalter zugestandenen Entnahme von Geldern für Portoaufwendungen, die im Zusammenhang mit der Unterrichtung der Eigentümer stehen, befassen; allerdings wurden in einer jüngeren Entscheidung des Senats solche Ausgaben den Kosten zugerechnet, die zum allgemeinen Verwaltungsaufwand gehören und die von den Wohnungseigentümern regelmäßig mit der Verwaltervergütung abgegolten werden (BayObLG, ZMR 2001, 907); sie dem Gemeinschaftskonto gesondert zu entnehmen, entspräche deshalb nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
6. Ein Wirtschaftsplan verstößt i.Ü. nur dann gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn er zu wesentlich überhöhten Wohngeldforderungen oder zu erheblichen Nachzahlungspflichten führt (h.M., BayObLGZ 1999, 176/181, vorliegend verneint).
7. Gerichtskostenquotelung; keine Erstattung außergerichtlicher Kosten; Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren 29.928 EUR.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 10.04.2002, 2Z BR 70/01( BayObLG, Beschluss v. 10.4.2002, 2Z BR 70/01)