Leitsatz
Die Mutter eines minderjährigen Kindes, das unter Amtsvormundschaft stand, begehrte die Erweiterung des Umgangsrechts mit ihrem Kind. Ihr war die elterliche Sorge entzogen worden. Das Kind lebte in einer Pflegefamilie.
Bei Einleitung des Verfahrens mit Antrag vom 5.10.2005 war der Umgang zwischen Mutter und Kind nach der Vorgabe des Jugendamts so geregelt, dass die Mutter viermal jährlich eine Stunde in Anwesenheit mindestens drei weiterer Personen Gelegenheit hatte, ihr Kind zu sehen. Sie begehrte die Ausweitung des Umgangsrechts, was vom Jugendamt abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde angeführt, die Kindesmutter stehe der Hilfe zur Erziehung grundsätzlich ablehnend gegenüber und könne nicht einschätzen, was für das Wohl des Kindes sinnvoll und erforderlich sei. Sie zeige starke Verhaltensauffälligkeiten, sei hypermotorisch und distanzlos. Sie sei geistig behindert und neige zur Aggression. Die praktizierten Kontakte zwischen Mutter und Kind seien ausreichend, da eine Rückkehroption nicht gegeben sei.
Das FamG hat den Antrag der Mutter mit Beschluss vom 30.6.2006 nach neunmonatiger Verfahrensdauer zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ohne weitere Sachaufklärungsmaßnahmen bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Mutter habe auf eine Entscheidung gedrängt, anstatt die Gesprächsangebote der beteiligten Behördenvertreter aufzugreifen. Eine mündliche Anhörung der Beteiligten hat das FamG nicht durchgeführt.
Gegen die Entscheidung des FamG hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt. Ihr Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FamG.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde der Kindesmutter für begründet, hob den angefochtenen Beschluss auf und verwies das Verfahren zurück an das erstinstanzliche Gericht. Dies unter Hinweis darauf, dass der Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts unter mehreren schweren Verfahrensfehlern leide.
Das FamG habe über das Umgangsrecht entschieden, ohne zuvor gem. § 50a Abs. 1 FGG die Kindesmutter anzuhören. In Verfahren nach § 1684 BGB sei die persönliche Anhörung zwingend vorgeschrieben, da es sich um den Regelungsbereich der Personensorge handele. Nur unter den Voraussetzungen des § 50a Abs. 3 FGG könne von einer Anhörung abgesehen werden.
Des Weiteren habe das FamG zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Umgangsregelung verneint.
Die Kindesmutter habe geltend gemacht, dass die Ausübung des ihr zustehenden Umgangsrechts in rechtswidriger Weise eingeschränkt werde. Nach § 1684 Abs. 3 BGB könne sie verlangen, dass dieser Streitpunkt gerichtlich geklärt werden. Dieser Anspruch sei unabhängig davon, dass sie außergerichtliche Gespräche mit dem Jugendamt führe, zumal von dort unmissverständlich erklärt worden sei, dass eine freiwillige Ausweitung des Umgangsrechts nicht in Betracht komme.
Die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses habe dazu geführt, dass das FamG ausdrücklich "ohne weitere Sachaufklärung" den Antrag zurückgewiesen habe. Damit habe es gegen § 12 FGG verstoßen, nachdem es die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen hätte vornehmen müssen.
Sowohl die unterbliebene Anhörung als auch die unzureichenden Ermittlungen stellten eine Rechtsverletzung dar, die zur Aufhebung der Entscheidung führen müsse, wenn die Möglichkeit nicht auszuschließen sei, dass die Entscheidung darauf beruhen könne. Davon sei im vorliegenden Fall auszugehen.
Das OLG hielt es nicht für sachdienlich, von der Zurückverweisung abzusehen und selbst zu entscheiden, da auf diese Weise den Beteiligten eine Tatsacheninstanz verloren gehe. Auch die bisherige Verfahrensdauer gebiete es nicht, dass das OLG von der Zurückweisung absehe und selbst entscheide.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.2006, 16 UF 135/06